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Mein Wahlkampf (German Edition)

Mein Wahlkampf (German Edition)

Titel: Mein Wahlkampf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Maria Schmitt
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Mähnenwolfs, das gleich hinter dem Eingang lag, war leer. Nix zu sehen. Mit seiner feinen Nase hatte das Tier offenbar die Gefahr gewittert und sich in dem verkrauteten Gelände, einer angeblich für teuer Geld angelegten «Mähnenwolf-Pampa», irgendwo verschanzt. Die Abstimmung über sein Bleiben musste vertagt werden. Einen besonders guten Eindruck hat dieser angebliche Mähnenwolf aber schon mal nicht hinterlassen.
    Nächster Halt: Zebragehege. Nachdem uns ein Biologe im Begehungsteam darüber informiert hatte, dass das Zebra dem Pferd weitgehend ähnlich sei und das Pferd dem Tierbeschreiber Brehm zufolge «ein starrsinniges, oft von Uneinsichtigkeit geprägtes Wesen» habe, wurde mit einer bequemen Zweidrittelmehrheit die Überstellung der Zebras an den Opel-Zoo beschlossen. Die in Sträflingskluft aufmarschierten Tiere hörten sich alles weitgehend teilnahmslos an, dann führten sie plötzlich, als ob ein solches Urteil revidierbar wäre, kleine Kunststückchen auf, wackelten mit dem Kopf und klopften mit den Hufen. Selbst wenn man dieses Verhalten als Einsicht deuten mochte, so kam sie doch spät. Zu spät.
    Den Alpakas konnte man sich wegen des abscheulichen Gestanks, den sie um sich verbreiteten, gar nicht nähern – die Rote Karte folgte sogleich. Einen Platzverweis erhielten ebenfalls die sehr unkonzentriert wirkenden Bongos – da wusste ja eh keiner, ob man es mit einem Tier oder einem Trommelinstrument zu tun hatte. Oder machte man dieses nach dem Hautabziehen aus jenem? Als Tiere jedenfalls waren die Bongos zu verwirrend, und niedlich schon mal gar nicht. Die Abstimmung verlief eindeutig. Falls die Firma Opel für die bald anfallenden Transporte in den Opel-Zoo ein Überführungsfahrzeug sponsern würde, umso besser. Ansonsten mussten Bongos, Alpakas und Zebras eben in den Taunus laufen.
    Im Vogelhaus schlüpften gerade einige Küken. Ich blätterte im Henscheid und las die hühnerspezifische Stelle vor. Zwar schreibt der Tiertheologe der Hühnerkreatur «ihre oft unerträglichen irdischen Leiden» gut – aber fürs Himmelreich genügt’s dann doch nicht: «Allein das ‹irgendwie lächerliche› Aussehen dieser Tiere verhindert doch eine ernstlich zu erwägende Assumption und Gottgeeignetheit, vergessen wir auch nicht die durchaus im Sinne der tückischen Cholesterinwerte unverantwortliche ununterbrochene, wie hirnlos ferngesteuerte Eierproduktion dieser Tiere.» Auch wenn’s schade um die Eier ist – die Hühner mussten, zumal sie flugunfähig sind, nach klarer Mehrheit für die Aussiedlung, gehen.
    In feuchter Hitze dösten die Reptilien. Die Krokodile sperrten apathisch die Langmäuler auf und taten so, als ginge sie das alles nichts an. Sie hatten wohl nicht mit der klaren Ansage Henscheids gerechnet: «Alle Zuversicht fahren aber lasse das Krokodil. Nein, es ist einfach zu schmuddelig und schmutzvoll.» Die Abstimmung ging jedoch nur knapp zugunsten einer Dislozierung der wechselwarmen Handtaschenlieferanten aus. Ein kleines, tatsächlich nicht unniedliches Baby-Nilkrokodil durfte sogar bleiben. So lange, bis es einen Meter Länge über alles erreicht haben würde.
    Im Giraffenhaus herrschte drangvolle Enge und große Hitze. Die eleganten Lulatsche gingen langsam im Kreis und wiegten hospitalisiert die hohen Hälse. Durften sie bleiben? Der Animaltheologe Henscheid zeigte sich milde mitleidend: «Sicher, auch unter Giraffen hat es inkonsistente, ja ambiguische Charaktere, gewiss, und durchaus auch manche Pumas und Alligatoren gehören zivilrechtlich zu den zumindest unklaren Fällen, allein auch die Genannten mögen in Gottes Namen erhört und entsühnt und da und dort in den Himmel vorgelassen werden, sofern sie nicht herumrandalieren.» Das hätte zwar nur knapp, aber immerhin doch für ein Bleiberecht gesprochen – aus rein humanitär-veterinären Gründen wurde dann aber klar die Übersiedlung in den Opel-Zoo beschlossen. Nicht zuletzt wegen der irrsinnigen Heizkosten. In diesem Falle musste die Firma Opel für den Transport wohl ein Cabrio zur Verfügung stellen, denn selbst für einen Minivan waren die Giraffen zu hoch gewesen. Vielleicht würde sich auch in letzter Minute ein freies Hochhaus in Frankfurt finden. Dort könnten die Langhälse dann friedlich und ohne Zwischendecken vom ersten bis zum sechsten Stock leben und tagsüber mit einem rot-weiß geringelten Rollkragenpullover kopfnickend als Bahnschranken arbeiten.
    Eine praktisch schon von vornherein abgemachte Sache war die

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