Mein Wahlkampf (German Edition)
Ausschaffung der Nilpferde. Zwar lässt Henscheid dem Hippopotamus gegenüber Gnade walten («sofern es trotz seiner Nacktheit hinreichend keusch und katholisch lebt»), das half ihm aber angesichts der unter uns Experten herrschenden Voreingenommenheit nicht weiter. Diese im Prinzip auch heimtückischen Dickhäuter sind beim Schöpfungsakt nun mal wirklich abschreckend hässlich geraten. Selbst die allernötigste Hygiene lassen sie vermissen und stehen nach dem Pissen stundenlang in ihrer eigenen Exkrementenstinkebrühe herum. So weiß man, wenn es bis zu den viel zu kleinen Ohren mal wieder im Pissbecken steht, gar nicht recht, ob es überhaupt da ist, das Nilpferd. Als unser Expertenpulk schließlich eintraf, war das Becken allerdings bereits leer. Weder Nil noch Pferd, kein Aas da. Die «Unthiere» (Brehm) hatten wohl schon Wind von der Aktion bekommen und sich mitsamt ihrer trüben Brühe auf den Weg in den Opel-Zoo gemacht.
Ein Gehege weiter zeigten sich die zwei Nashörner von ihrer stoischsten Seite und standen hartnäckig einfach nur herum. Da unweit aber auch schon eine Nashorn-Transportkiste bereitstand («Lufthansa Animal Cargo»), wurde mit überwältigender Mehrheit ein salomonisches Urteil gefällt: Ein Nashorn musste ab in den Opel-Zoo – das andere durfte bleiben.
Die drolligen Pinguine boten hingegen eine meisterhafte Niedlichkeits-Performance. Mit ausgebreiteten Flügelchen und Kopfsprung-Kunststücken wussten sie sich souverän in die Herzen der Zookritiker zu spielen und zu blödeln. Ein einstimmiges Bleiberecht wurde in kürzestmöglicher Abstimmungszeit herbeigeführt und protokolliert.
Übertroffen wurde diese Glanzparade allenfalls durch die Kapriolen der Erdmännchen, deren ausgelassen lausbubenhaftem Charme sogar der sonst so unbarmherzige Tierforscher Henscheid erlag: «Das putzige, ja ulkige, hoch agile und höchst gesellige Erdmännchen (auch: Erdhündchen, obwohl es eigentlich, seltsam, eine Katze ist) darf dann auch im Himmel herumtollen, grad wie es mag – es darf nur nicht mit dem Erdhörnchen verwechselt oder gar zusammengelassen werden, sonst ist der Teufel los.» Wirklich wahr, die Erdmännchen und wohl auch -weibchen gaben eine spektakuläre Supershow, glänzten in ihren Königsdisziplinen Sinnlos-Hin-und-Herwetzen, Aufrichten, verwirrt Rumgucken und Posen. Wie auch ihre Geistesbrüder zu Wasser, die Pinguine, haben sich die Erdmännchen ihr Bleiben auf jeden Fall verdient und auf Ewigkeiten gesichert. Dass sie nur wenige Monate später Opfer einer grauenhaften Katastrophe werden würden – davon konnte an diesem mild sonnigen Tag keiner etwas ahnen. Nach mehrtägigen Regenfällen sollte nämlich das grabungslöchrige und tunneldurchzogene Erdreich nächtens einstürzen – und sämtliche Erdmännchen für immer unter sich begraben.
Kaum hatten wir den Erdmännchen das Bleiberecht ausgesprochen, riefen die mitlaufenden Kinder: «Und die Erdferkel, Herr Schmitt? Die Erdferkel?»
«Die kommen schon noch, ihr Rotzlöffel», sagte ich und sah verwundert einem Ehepaar zu, das einen Kinderwagen mit einem etwa Dreijährigen vor das moderne, vollverglaste Gehege der Bonobo-Schimpansen schob. Dem Kleinkind war allerdings die Sicht auf die Affen versperrt – von einem vor ihm aufgestellten iPad, auf dem ein Dschungeltrickfilm lief. Für mich war klar: Ausgesiedelt werden sollten auch diese degenerierten Eltern jenes voraussichtlich bald noch degenerierteren Kindes.
Die Bonobos freilich nahmen von ihren Zuschauern keine Notiz und gingen ungerührt ihren bonobotypischen Tätigkeiten nach. Was war nun mit ihnen? Durften sie bleiben? Während Tiervater Brehm befand, dass Primaten generell «wegen ihrer Unanständigkeit» als «Hausgenossen nicht zu ertragen» seien, weil sie nämlich «jedes sittliche Gefühl fortwährend in der abscheulichsten Weise beleidigen», geht der in sexuellen Dingen ohnehin sensible Tierfreund Henscheid sogar noch weiter. Aus eigener Anschauung hat er sich vor Ort bereits ein erschreckendes Bild von ihrer Verkommenheit gemacht:
«Wer da im Frankfurter Affenhaus […] zusehen muss, wie die meist hochgelobten Bonobo-Schimpansen, noch während sie triumphierend ihre Apfelsinen verdrücken, dem Interessierten zähnefletschend und dabei seltsam indifferent etwas vorrammeln und die Bäuche aneinanderreiben, um dann wieder ein bisschen zu masturbieren oder gar einen Haufen zu setzen, dass es schon ganz aus ist – der ahnt, dass dieses Tier das Wort ‹Anstand›
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