Mein Wahlkampf (German Edition)
wie bei ihnen.» Angesichts dieser Anschuldigungen verstummte sogar der Tiertheologe Henscheid, die Artenkritikerrunde hob ein letztes Mal die Hand zur Abstimmung, die dann eindeutiger nicht ausfallen konnte: Pavian-Auszug, aber sofort! Die Betroffenen nahmen den Entscheid, wie man es von ihnen kennt: mürrisch, launisch bis großkotzig. Diese saubere Bagage wollten die versammelten Zoofreunde wirklich nur noch von hinten sehen – ein Anblick, den uns die rüpelhaften Rotärsche denn auch zum Abschied gestatteten.
Geschult und gestärkt durch diese reichhaltigen Erfahrungen mit der Tierwelt, bin ich nun auch bestens auf meinen künftigen Regierungssitz Berlin vorbereitet. Bekanntlich ist die Stadt ja längst in der Hand der Fauna: Mischehen zwischen Herr und Hund sind keine Seltenheit mehr, Sodomie gilt als Trendsport, Halbaffen haben den halbcoolen Prenzlauer Berg zu ihrem Revier erklärt, und während die Wildschweine noch vor kurzem vorrangig im Grunewald hausten, trifft man sie heute schon im Borchardt, im Grill Royal oder im Bundestag. Parasiten nisten in Parteien, Behörden und Ämtern, die CDU wird längst von einem Nilpferdweibchen geführt, die SPD versucht mit einer Blindschleiche an die Macht zu kommen, die Grünen sind fest in der Hand von Lemuren, die FDP ist vom Aussterben bedroht – und im Rathaus der Stadt regiert seit Jahren erfolglos ein Esel.
Doch das ist ja angeblich gut so.
[zur Inhaltsübersicht]
Die Diskussionsrunde
Wie man als ungeladener Gast geschickt die Rassismuskarte spielt
Das wichtigste Forum, das es für einen Politiker gibt, ist die Talkrunde. Ganz egal, ob live vor Publikum oder aufgezeichnet vor Fernsehkameras – Hauptsache, Disput. Nur im öffentlichen Streitgespräch kann man punkten, sich selbst ins rechte Licht rücken, den eigenen Bekanntheitsgrad steigern und andere alt aussehen lassen.
Bundestagssitzungen finden fast unbemerkt von der Öffentlichkeit statt, Länderparlamente und Gemeinderäte tagen ebenfalls meist ohne die Aufsicht ihrer Wähler, da ist die öffentliche Diskussionsrunde für den Politiker die einzige noch verbliebene Möglichkeit, sich als ethisch-moralische Instanz zu präsentieren. Oder wenigstens als Träger einer gewagten Krawatte. Die Existenz Guido Westerwelles konnte überhaupt erst durch sein hartnäckiges Auftauchen in Labersendungen nachgewiesen werden. Ohne Talkshows, Panel- und Podiumsdiskussionen wäre die basale Versorgung der Bevölkerung mit Politik nicht gewährleistet. Nur durch das regelmäßige Aufrauchen Helmut Schmidts im Fernsehen wissen wir, dass Deutschland hart am Abgrund steht. Bald werden wir einen Schritt weiter sein.
In Gedanken bereite ich mich täglich auf den Kanzlerwahlkampf vor. Zum Beispiel, indem ich überlege, in welche Talkshows ich gehen würde, sobald die Einladungen erst mal eintrudeln.
Anne Will? Nein, die ist zu verbissen, seit man ihr den Sonntagabend weggenommen hat.
Frank Plasberg? Ein Erloschener, der sich hat einreden lassen, auch mit butterweichen Themen den knüppelharten Journalismus machen zu können, der einmal sein Markenzeichen war. Wer bei ihm zu Gast ist, wirkt gleichfalls erloschen.
Reinhold Beckmann? Hat die schlechtesten Quoten. Will man sich von ihm fragen lassen, wie es sich anfühlt, als aufstrebender Politiker in einer absterbenden Sendung zu sitzen? Lieber nicht.
Günther Jauch? Von dessen Sendung träume ich sowieso schon die ganze Zeit. Aber hätte ich ohne Telefon- und Zusatzjoker bei ihm überhaupt eine Chance?
Maybrit Illner? Nicht ganz so verbissen wie Anne Will, dafür aber noch humorloser – und mit so abgestorbenen Gästen, dass die es nicht mal in Plasbergs Sendung schaffen würden. Das geht also gar nicht.
Sandra Maischberger? Ja, warum eigentlich nicht die Maischberger? Die ist zu allen lieb, hört sogar zu, wenn Helmut Schmidt abhustet oder Peter Scholl-Latour minutenlang wegdriftet. Wenn es menschelt bei Maischberger, darf jeder ungestört seinen Quatsch erzählen. Meistens haben eh alle schon nach fünf Minuten vergessen, was das Thema der Sendung ist: «Essen wir uns dumm?» – «Arbeiten wir uns zu dick?» – oder umgekehrt?
«Und wie geht es Ihnen heute persönlich? Was hat das mit Ihnen gemacht, als Sie erfuhren, dass Sie sich dick und doof gegessen haben?»
«Scheißegal, Frau Maischberger, ich will Ihnen mal was sagen. Aber was, das sage ich Ihnen nicht, verstehen Sie?»
Sandra nickt freundlich, dann funkelt sie mich mit ihren Rehaugen an und sagt:
Weitere Kostenlose Bücher