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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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war der Ansicht, dass ihn diese Transparenz vor einer Enteignung schützen würde, weil gerade Transparenz das stärkste Signal war, um zu zeigen, dass er Steuern zahlt und nicht stiehlt. Aber er hatte sich verkalkuliert. Er hatte unterschätzt, wie sehr die meisten russischen Bürger ihm seine Eigentumsrechte absprachen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Er tauschte sich damals vor allem mit seinen Geschäftspartnern und mit den Leuten aus, die er über Offenes Russland unterstützte. Das waren Menschen, die ihn aufrichtig mochten und ihm seine Vergangenheit verzeihen konnten. Wäre ihm bewusst gewesen, dass die Bevölkerung ihn (wie auch die anderen Oligarchen) nach wie vor hasste und dass Putin sich auf diesen Hass stützen konnte, dann wäre ihm, denke ich, auch klar gewesen, wie riskant die Strategie war, die er gewählt hatte.
    Weitaus sicherer wäre da die andere Variante gewesen: das Unternehmen zu öffnen, aber sich aus der Politik herauszuhalten. In diesem Fall hätte er womöglich den Erfolg der TNK -Aktionäre wiederholen können. Im Übrigen denke ich, dass die Frage nach mehr Transparenz im Unternehmen für ihn nicht nur eine wirtschaftliche Frage war. Als er das Unternehmen ›öffnete‹, war ein Gedanke dabei offensichtlich auch, seinen Reichtum zu legalisieren und nicht mehr von irgendwelchen Beamten abhängig zu sein. Das Ergebnis war, dass die Vertreter der Staatsmacht zwangsläufig zu dem Schluss kamen, dass er noch unabhängiger werden würde, und zwar in erster Linie von ihnen. Für sie ergab sich daraus ein ernstes Risiko, dass Chodorkowski in die Politik gehen, in die Finanzierung der Opposition einsteigen und Putin faktisch aus dem Amt drängen könnte.
    Soweit ich das beurteilen kann, waren ihre Befürchtungen nicht unbegründet. Ich weiß nicht nur vom Hörensagen, dass die Yukos-Chefs 2003 ein Forschungsinstitut im Bereich der Wirtschaftspolitik gründen wollten (Ende 2003 wurde dieses Institut, das Institut der offenen Wirtschaft, auch tatsächlich ins Leben gerufen, existierte aber nur sehr kurze Zeit). Ziel des Instituts war nicht nur, marktwirtschaftliche Reformen voranzubringen, sondern auch, sich für niedrigere Steuern im Ölsektor einzusetzen. Die Yukos-Aktionäre verfolgten ein durchaus ernstzunehmendes politisches Projekt, bei dem es unter anderem um das erfolgreiche Abschneiden einiger Kandidaten von der Jabloko-Parteiliste, von der Liste der KPRF und der Liste von Einiges Russland bei den Parlamentswahlen ging (darunter waren auch Vizepräsidenten von Yukos). Natürlich war die Rede nicht von Hunderten von Abgeordneten, wie das Putin berichtet wurde. Dennoch war die Kampfansage an die Machthabenden durchaus vernehmlich.
    Ich habe großen Respekt vor Chodorkowski – heute wie damals, 2000 bis 2003. Natürlich erinnere ich mich noch gut daran, wann und wie die Menatep-Chefs diese sträflich unlautere Auktion zum Kauf von Yukos angezettelt und wie sie 1999 die Minderheitsaktionäre enteignet haben. Aber es gibt einen klar definierten Wendepunkt: Nach 1999 wird es schwierig, auch nur eine Geschichte auszugraben, die Menatep ernsthaft kompromittieren könnte.
    Natürlich bauten Chodorkowski und seine Partner sich eine parteiübergreifende Lobby in der Duma auf und setzten sie für ihre Interessen ein – diese Leute sollten sich für niedrige Ölsteuern stark machen. Soweit ich mich erinnere, hatten die Yukos-Chefs damals ein recht herablassendes Verhältnis zu Abgeordneten und Beamten. Andererseits halte ich Chodorkowskis politische Ambitionen für absolut normal. Als Bürger hatte und hat er das Recht, sich politisch zu betätigen.
    Chodorkowski und seine Partner taten recht daran, karitativ zu wirken, sich um Aufklärung und Bildung zu kümmern; nur hätten sie länger dabei bleiben sollen, statt sich gleich in die Politik zu stürzen. Hätten sich Chodorkowski und seine Partner nicht politisch engagiert, wäre es ihnen vielleicht gelungen, Chevron oder Exxon ein großes Aktienpaket, wenn nicht gar die Aktienmehrheit zu verkaufen. Dass so eine Lösung im Rahmen des Machbaren lag, zeigen die guten Erfahrungen der TNK BP . «
    Apropos BP . In seinen 2010 unter dem Titel Beyond Business erschienenen Memoiren erinnert der ehemalige Präsident der BP Corporation, Lord John Browne (1995–2007), daran, dass der Yukos-Konzern aus seiner Sicht die attraktivste russische Kapitalgesellschaft war, gefolgt von Sibneft an zweiter Stelle und erst an dritter Stelle von der TNK .

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