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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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bereit, ihnen ihre Explorationsunkosten zu erstatten und getrennte Wege zu gehen. Sie antworteten uns, dass sie nicht zahlen und auf eine Entschädigung verzichten wollten! Und so gingen wir getrennte Wege.
    Sie waren offenbar beleidigt. Sir Browne ist kein schlechter Kerl, und er hat den Absprung von BP noch rechtzeitig geschafft, aber so etwas muss wirklich nicht sein. In der Wirtschaft ist es nicht üblich, beleidigt zu sein.
    Und unsere Bohrlöcher am Priobskoje-Ölfeld, die wir nach modernsten Technologien anlegen ließen, schafften nicht nur zehn, sondern 100 Tonnen und das beste sogar 3000 Tonnen täglich!«
    Nach Auffassung des Politikwissenschaftlers Kirill Rogow war die Offenlegung der Eigentumsstrukturen von Yukos »ein Überholmanöver; in gewisser Hinsicht mussten sie dafür büßen, denn wenn sie das gelernt hatten, hieß das, dass sie sich grundsätzlich einen gewissen Vorsprung sichern konnten. Aber so entsteht nun einmal ein ›normales‹ System. Der eine lernt, besser zu leben und die Barbarei der Vergangenheit ein wenig zurückzufahren und gewinnt dabei noch; der andere, der zurückbleibt, verliert«.
    Hatte Chodorkowski vor, alle in diesem »Spiel« zu schlagen? Vielleicht. Über die neuen Spielregeln, die unweigerlich die alten Regeln oder vielmehr das Fehlen jeglicher Regeln ablösen würden, sprach er im Juni 2002 in einem Interview mit mir.
    »Sie haben in der letzten Zeit Kofi Annan getroffen und in London eine Stiftung gegründet, in deren Verwaltungsrat auch Lord Rothschild und Henry Kissinger sitzen. Alle scheinen vergessen zu haben, dass man Sie noch vor Kurzem den ›durchtriebenen Komsomolzen‹ nannte.
    Wir haben allmählich begriffen, dass es im Westen ein anderes Rechtsbewusstsein gibt. Und zudem gibt es dort ganz bestimmte Regeln, unter anderem in der Wirtschaft, die für ein normales Leben sorgen. Da das Anlegen von Geld in Banken kein Selbstzweck ist und man vernünftig leben möchte, sind diese Regeln keineswegs überflüssig. Selbst wenn sie einen taktisch gelegentlich in der Arbeit behindern – mittelfristig machen sie einem das Leben leichter.
    Sie sind inzwischen ein Anhänger des westlichen Rechts?
    Ja, aber kein Apologet. Wir sind älter geworden, wissen Sie – erwachsener.
    Ohne Zweifel. Noch vor etwas mehr als zehn Jahren mussten Sie sich etwas dazu verdienen, als Zimmerer, wenn ich recht informiert bin?
    Ja.
    Sie haben angefangen, von Ethik in der Wirtschaft zu sprechen. Allerdings erst jetzt, da Sie richtig reich geworden sind. Andere Leute dagegen fangen gerade erst an, wie Sie vor zehn Jahren. Diese Leute werden Sie wohl kaum überzeugen können, nach westlichen Regeln zu leben.
    Das stimmt. Nicht nur im Westen hat man zur Kenntnis genommen, welche Mittel wir einsetzen und auf welche wir verzichten. Auch hier ist das registriert worden. Wir bekommen zu hören: Ihr habt das ursprüngliche Kapital akkumuliert, als alles möglich war, und jetzt wollt ihr, dass alles, was bei euch noch ging, nicht mehr erlaubt sein soll und die Situation festgeschrieben wird. Ihr seid schon gemachte Leute, und nun läuft es darauf hinaus, dass wir die Methoden der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals, die ihr so gut kennt, nicht nutzen dürfen. Dem muss ich wohl zustimmen. Das ist wirklich so. Wie jede Generation, die ihre Jugend hinter sich gelassen hat und im mittleren Lebensalter angekommen ist, fangen wir an, stabilisierend zu wirken. Ja, es gibt junge Wölfe, die sehr gern die Erfahrung aus den späten Achtzigern und frühen Neunzigern für sich nutzen würden …
    Das kann man ja auch verstehen. Sie sehen ihre ›älteren Kollegen‹ vor sich und wissen genau, dass diese Erfahrung praktisch unbezahlbar ist. Und Sie versuchen jetzt, ihnen diese Erfahrung zu verwehren.
    Wir versuchen, dagegen anzugehen. Ja, Sie haben recht, das ist gut für uns, und es ist schlecht für manch einen von ihnen. Aber was ist mit der Gesellschaft insgesamt? Das Russland der späten achtziger Jahre war für die ganze Welt, unter anderem auch wegen dieser Methoden, ein wilder Ort.
    Das ist es immer noch.
    Das stimmt nicht ganz. Für die Wirtschaft ist Russland kein wilder Ort mehr, sonst würden wir uns nicht schon einem Investitionsrating annähern. Wenn wir Russland mit unserem Handeln in jene Epoche zurückführen, wird die gesamte Gesellschaft ärmer. Weil in einem solchen Fall das Geld für uns teurer würde, weil es weniger Investitionen gäbe, weil die Risikoaufschläge für Arbeiten hier im

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