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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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unter Chodorkowskis Regie vorbereitet wurde. Aber davon redete damals ganz Moskau, auch Mitarbeiter von Yukos. Das war kein Geheimnis, sondern Stadtgespräch. Nur dass die Zeitungen nicht darüber schrieben.
    Mich interessierte dieses Thema. Ich dachte schon damals und denke heute noch mehr, dass Chodorkowski in dieser ganzen Geschichte tatsächlich nicht unabhängig war, nicht hundertprozentig zumindest. Er war ein Werkzeug Woloschins und der mit Woloschin verbundenen Unternehmer – Leuten wie Abramowitsch. So lief dieses Spiel. Als sie 1999/2000 Putin ins Rennen geschickt hatten – und Putin war damals ja nicht etwa ein Mann der sagenumwobenen Silowiki und KGB -Leute, sondern einer aus der ›Familie‹ 197 – da hatte es für sie den Anschein, als wäre klar, wie sich Putin steuern ließ. Damit sollte es keine Probleme geben, weil Putins persönliche Freunde ihrer Meinung nach allesamt Schwächlinge und Idioten waren. Doch Anfang 2003 wurde plötzlich klar, dass auch Putins Freunde Ambitionen hatten und dass sich ihr Aufstieg nicht mehr kontrollieren ließ. Putin würde sie nicht aufhalten, allein schon deshalb nicht, weil er da, wo sie unabhängig von ihm agierten, gar keine Veranlassung dazu hatte. Putins gesamte Logik lässt sich so zusammenfassen: Ich bin nur für die Entscheidungen verantwortlich, die ich selbst getroffen habe, und wenn eine Entscheidung nicht von mir getroffen wurde, bin ich nicht schuld, selbst wenn klar ist, dass ich sie womöglich gebilligt habe. Genau deshalb war es so wichtig, dass Chodorkowski verurteilt und nicht etwa auf irgendeine andere Weise beseitigt wurde. Innerhalb von Putins Logik ist das von grundsätzlicher Bedeutung: Diese Entscheidung hat die Justiz getroffen, nicht er selbst. Selbst wenn er sie gebilligt hat. Für Putin ist es wichtig, einen Verantwortlichen zu finden, der nicht er selbst ist.
    Ich denke, Woloschin hat versucht, den wachsenden Einfluss aus Putins Umfeld, also Setschins Einfluss zu neutralisieren. Das Projekt einer parlamentarischen Republik kam da wie gerufen. Er dachte, auf dem Feld der Politik – und das war ein politisches Projekt und kein Projekt von Lobbyisten – wäre er Setschin allemal überlegen. Ich weiß absolut sicher – ich will jetzt nicht sagen, woher – , dass der Auftritt von Chodorkowski bei Putins Zusammenkunft mit den Oligarchen, bei dem es um die Severnaya Neft ging, von Woloschin inspiriert war. Es war seine Bitte gewesen, das zur Sprache zu bringen. Ich denke, dass Woloschin die Situation bewusst zugespitzt hat. Er hat wohl gehofft, Putin so in die Enge zu treiben und ihn zu zwingen, Setschin und Co. fallenzulassen, um sein Gesicht zu wahren. Gleichzeitig konnte Woloschin nicht sich selbst oder Abramowitsch oder andere sehr eng mit ihm verbundene Leute in die Schusslinie bringen. Er brauchte ein schweres Gewicht, das man Setschin entgegenschleudern konnte, um ihn zu Fall zu bringen. Und Chodorkowski war so ein Gewicht. Nur lief eben nicht alles nach dem Drehbuch, das Woloschin sich gewünscht hatte.
    Putin wertete Chodorkowskis Äußerung über die fragwürdigen Umstände des Kaufs von Severnaya Neft als direkten Verstoß gegen die Spielregeln. Der Sinn von Putins scharfer Replik war folgender: Euch, allen hier anwesenden Unternehmern inklusive Chodorkowski gegenüber gab es keine Beanstandungen in Bezug auf das Eigentum, das ihr euch illegal angeeignet habt. Deshalb dürft ihr auch mir gegenüber nichts beanstanden. Ich mische mich nicht in eure Angelegenheiten, und ihr mischt euch nicht in meine.
    Woloschin hat Chodorkowski nicht in dem Sinn in Gefahr gebracht, dass er seine Verhaftung angestrebt hätte. Ich glaube sogar, Woloschin hat ihm die Sicherheitsgarantien gegeben, aufgrund deren Chodokowski letztlich in Russland geblieben ist. Und zwar nicht, weil er ihn hintergehen wollte, sondern er dachte wirklich, Chodorkowski würde nicht ins Gefängnis kommen, weil eine solche Entscheidung ohne ihn, Woloschin, nicht möglich wäre. Hätte diese Entscheidung je zur Diskussion gestanden, Woloschin hätte sie blockiert. Sie fiel aber ohne Diskussion. Genau das hatte Woloschin nicht bedacht, dass Setschin sich in den operativen Bereich hinausgewagt und sich aus einem schüchternen, zitternden Büroangestellten in einen völlig unabhängig agierenden Politiker und Lobbyisten verwandelt hatte, der selbst entscheiden konnte, was er zu tun hatte. Setschin hatte ein Bündnis mit Generalstaatsanwalt Ustinow geschlossen, und dieses Team

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