Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Nachodka zu einem Preis von zehn Milliarden aus dem öffentlichen Haushalt. Wie Wiktor Gerastschenko (früher Direktor der russischen Zentralbank und nach der Verhaftung Chodorkowskis Vorsitzender des Yukos-Direktoriums) berichtet, hatte Putin nein dazu gesagt, »und hier hätte Chodorkowski den Mund halten müssen, stattdessen aber sagte er: ›Wladimir Wladimirowitsch, Sie verstehen nicht, wie wichtig es ist, die Beziehungen mit China auszubauen … ‹« 17 Chodorkowski übrigens streitet diese Geschichte fast schon mit einem gewissen Bedauern ab.
Woran dachte Putin, während er Chodorkowski zuhörte?
Sein drittes Jahr im Amt hatte begonnen. Putin war sich seiner selbst noch nicht so sicher wie während seiner zweiten Amtszeit oder während der »dritten« als Premierminister. Der Jahresdurchschnittspreis für ein Barrel Erdöl lag nach wie vor unter 30 Dollar. Putin hatte die wichtigsten Fernsehkanäle des Landes praktisch schon unter seine Kontrolle gebracht und zwei ernstzunehmende Gegner aus dem Land gedrängt: die Magnaten Boris Beresowski und Wladimir Gussinski. Aber Putin fürchtete die Oligarchen noch immer. Die Freunde des Präsidenten hatten sich die »Firma Russland«, in die das ganze Land später verwandelt werden sollte, noch nicht endgültig passend eingerichtet. Noch hatte von den Geschäftsleuten niemand öffentlich seine Bereitschaft erklärt, dem Staat das eigene Unternehmen bei der ersten Aufforderung zu überlassen. Noch war die Idee nicht gefunden, die Putin eine zweite Amtszeit sichern sollte.
Woran dachte also der 51-jährige ehemalige Oberstleutnant des KGB , der ehemalige Beamte der Petersburger Stadtverwaltung, der ehemalige Kremlbeamte und ehemalige Chef des FSB mit einem Präsidentengehalt von damals 63000 Rubel, während er in die schlauen Augen eines Unternehmers blickte, der um mehrere Milliarden reicher war als er selbst und der hier dem obersten Beamten des Landes sagte, er kenne sich in der Wirtschaft und Geopolitik nicht so gut aus und seine ganze »Machtvertikale« bestehe lediglich aus korrupten, mit Amtssiegeln bewaffneten Schmarotzern. Ich vermute, er dachte ungefähr Folgendes: »Dieser Brillenträger, der wie ein Streber aussieht und Diagramme und Grafiken mag … Noch keine vierzig, und schon ein Vermögen von acht Milliarden, wenn man Forbes glauben will. Und selbst wenn es nur die Hälfte ist. Sein Yukos macht längst mehr her als unser Gazprom, von Rosneft ganz zu schweigen. Aber er traut sich trotzdem, anzugreifen … Er will sich alles unter den Nagel reißen …
Und der Ölpreis steigt. Vor ein paar Tagen erst hat er an der Londoner Börse die Dreißigermarke übersprungen. Die Amerikaner werden im Irak einmarschieren, der gute alte Bush bleibt nicht auf halbem Weg stehen. Die Preise werden in die Höhe schnellen! Und dieser Typ hier scheffelt noch ein paar Milliarden in seine Taschen … Sieh mal an, wie der hier aufgetaut ist. Die anderen werden vorsichtiger sein. Aber er … gut aussehen tut er auch noch … manche haben’s einfach … er hat jedenfalls alles. Und vor allem: für immer – seine Kohle, seine Firma, sein Aussehen, sein Selbstbewusstsein. Ein echter Boss. Und was habe ich? Vier Jahre, na gut: acht, und dann? Der da braucht eigentlich nichts mehr. Er hat schon alles. Deshalb hat er auch keine Angst. Er hält sich für cool.
Seinen Konzern will er transparent machen, die Ausländer schütteln ihm die Hand und haben den russischen Räuberkapitalismus schon vergessen. Blütenweiß und flauschig will er sein. Tritt als Wohltäter auf. Mischt sich in die Politik ein, obwohl ich sie alle gewarnt habe. Er hat alles kalkuliert … und sein Appetit wächst … was redet er da von einer Pipeline nach China? Unverschämt! Der denkt wohl, er kann alle kaufen, wenn es sein muss. Die Leute sind ja auch käuflich … das weiß ich auch. Und er weiß, dass ich es weiß.
Die reinsten Unschuldslämmer hab ich heute hier. Wann die wohl das letzte Mal von einem Gehalt leben mussten? Er redet und redet, einer für alle. Wir werden ja sehen, wenn die Zeit reif ist, ob dann auch alle für einen einstehen … diese Oligarchen … Aber der Staat bin ich. Und deswegen kommen sie alle zu mir und buckeln und kichern und zerbrechen sich den Kopf, über welches staatstragende Thema sie mit mir sprechen könnten. Neuerdings sorgen sie sich um den Staat. Aber die Beamten können sie nicht leiden … dabei haben sie selber das halbe Land für ein Butterbrot bekommen. Ach
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