Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
fliegen wollte, um mir die Immunität eines Senators zu sichern, aber ich denke, das ist keine wirkliche Erklärung. Dass es Schachnowski war, der Senator werden wollte, und nicht ich, und dass man sich auch nicht einfach so aus dem Stand zum Senator wählen lassen konnte, wussten meine Gegenspieler mit Sicherheit.«
Ich erinnere mich noch genau an diese Zeit. Man hatte das Gefühl, als würde Chodorkowski ständig signalisiert, er solle verschwinden … Aber er reagierte nicht. Es ist durchaus möglich, dass man bewusst Informationen über eine mögliche Verhaftung durchsickern ließ. Andererseits wird Chodorkowski natürlich abgewogen haben, was passieren könnte, wenn er sich zur Ausreise durchringen würde. Zum Beispiel, dass man ihn trotzdem verhaften und dann als Verbrecher darstellen könnte, der versucht hatte, sich außer Landes abzusetzen. Ein mehr als wahrscheinliches Szenario.
Michail Chodorkowski: » Die Version mit der ›letzten Warnung‹ kann man ebenso in Betracht ziehen wie andere, etwa die der ›Provokation‹, aber mich interessiert es nicht, über die Motive der anderen Seite zu spekulieren. Ich habe ruhig geschlafen, sogar im Flugzeug und auch später, im Gefängnis. Meiner Familie hatte ich nichts von einer möglichen Verhaftung erzählt. Wozu auch? Die praktischen Vorkehrungen hatte ich getroffen. Wenn es so kommen sollte, sollte es eben so kommen. Wozu sich aufregen?
Unsere Tu-134 war planmäßig zum Auftanken gelandet. Das Flugzeug wurde von FSB -Leuten umstellt, an Bord kam eine ›Gruppe in Zivil‹, die mich höflich aufforderte mitzukommen. Ich durfte mich noch fertig machen und wurde dann in ihr Flugzeug, eine Il-86, gebracht. Keine Horrorszenarien. Auf dem Weg nach Moskau wurde ich in Ruhe gelassen, ich habe gelesen. Nach der Ankunft wurde ich in einen Kleinbus gesetzt und mit reichlich Begleitung in ein Gebäude in der Technitscheski-Gasse gefahren. 19 Dort ›übergaben‹ mich die FSB -Mitarbeiter den Leuten von der Staatsanwaltschaft.«
Bekannte aus Geheimdienstkreisen erzählten, dass an Bord des Flugzeugs, das Chodorkowski nach Moskau brachte, auch ein hoher Beamter aus der Führungsriege der Silowiki gewesen sei. Vielleicht befürchtete man, die Leute vom Sonderkommando könnten es übertreiben. Vielleicht war der Gefangene aber auch so wichtig, dass dies die Anwesenheit eines hohen Tieres erforderlich machte. Genauso gut möglich ist, dass das hohe Tier den Auftrag hatte, ohne Protokoll mit dem Festgenommenen zu sprechen. Ein solches Gespräch, heißt es, hat wohl auch stattgefunden. Diejenigen, die davon wissen, beteuern, Chodorkowski habe das Gespräch niemandem gegenüber je kommentiert. Chodorkowskis Geschäftspartner vermuten, dass der Unternehmer von General Wladimir Pronitschew, der 2003 die Führung im Grenzschutzdienst des FSB übernommen hatte, nach Moskau begleitet wurde. Chodorkowski selbst bestreitet das.
Anton Drel, Chodorkowskis Anwalt: » Wir hatten uns kurz vor seiner Abreise gesehen. Chodorkowski hatte mich zu sich nach Hause gebeten, nach Shukowka. Es war übrigens das erste Mal, dass ich bei ihm zu Hause war.
Wir hatten auch erst seit kurzem miteinander zu tun. Ich hatte gar nicht vorgehabt, mit Chodorkowski zu arbeiten. Es gab ja viele verschiedene Legenden, die sich um die Gruppe rankten: über ihre Aggressivität, ihren Geiz, dass sie dort kein einziges Projekt zu Ende bringen würden, dass man sie fertigmachen würde, weil sie bei den Wahlen die Kommunisten unterstützt hatten, dass sie einen ganz furchtbaren Sicherheitsdienst hätten. Überhaupt, der große und schreckliche Chodorkowski. Doch dann überredete mich Wassja Alexanjan, der damalige Chef der Rechtsabteilung bei Yukos, zu einem Treffen; er sagte, Chodorkowski sei auf der Suche nach einem persönlichen Anwalt. Wir trafen uns im Februar 2000. Er begrüßte mich mit einer halben Verbeugung, respektvoll, ohne jegliche Arroganz. Er bat mich, von mir zu erzählen: Armee, Studium, Arbeit. Ich erzählte also und sagte ehrlich, dass ich Projekte mit anderen Oligarchen, unter anderem mit Roman Abramowitsch, hatte. Er hörte sich alles an und schlug vor, ich solle selbst die Bedingungen formulieren, unter denen ich bereit wäre, mit ihm zu arbeiten. Wie sich herausstellte, gab es einerseits den Mythos Chodorkowski und andererseits den eigentlichen Chodorkowski.
An jenem Abend kam ich also zu ihm. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er sich innerlich auf eine Verhaftung vorbereitete. Er sagte:
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