Mein Weg
anschließend mit dem Bus weiter nach Leon fahren und von dort wieder zu Fuß gehen. Somit war mir klar, dass wir uns heute das letzte Mal treffen sollten. Obwohl mich das einerseits traurig stimmte, wusste ich aber auch, dass so was zum Camino gehört. Kennenlernen und sich wieder aus den Augen verlieren. Wir verabschiedeten uns ein letztes Mal, wünschten uns gegenseitig noch ein herzliches „Buen Camino“ und brachen kurz darauf auch schon in Richtung Logroño auf.
Diesen Morgen hatte ich es mir noch nicht richtig vorstellen können oder wollen, dass ich heute 30 Kilometer schaffen würde. Es folgte so ein schöner Weg, dass ich es gar nicht bemerkte, wie die Kilometer sich nur so aneinanderreihten.
Puente de Piedra (Steinerne Brücke) in Logroño
Fünf Kilometer vor Logroño saß Lisa aus Linz am Wegesrand. Sie wollte nicht mehr weitergehen, da sie ziemlich erschöpft war und starke Schmerzen in den Beinen hatte. Sie schimpfte auf Gott und die Welt und ärgerte sich über ihren eigenen Plan, den Jakobsweg zu laufen. Wir sprachen ihr Mut zu und nahmen sie ins Schlepptau. Im „kleinem Gang“ tippelten wir weiter.
„Komm Lisa, wir gehen schön langsam und bleiben bei dir. Bis zur Stadt ist es nicht mehr weit. Das schaffst du noch“, redeten wir ihr immer wieder ein.
In Logroño, meinem Ziel für heute, überquert man den Ebro, ehe man in die Stadt gelangt. Dort suchten Karl und ich uns eine Pension. Nach dem Einchecken stand „Shoppen“ auf meinem Plan.
Mein Marschgepäck beinhaltete unter anderem nur einen Pullover. Da es aber immer noch recht kühl war, brauchte ich dringend einen zweiten Pullover zum Wechseln. Platz hatte ich noch reichlich im Rucksack und das Gewicht wurde dadurch nicht wesentlich mehr.
Zielgerichtet machte ich mich auf die Suche nach einem passendem Teil und wurde in einem Geschäft unweit der Kirche fündig. Er sollte warm halten, aber auch nicht zu schwer sein. Gut aussehen sollte er auch. Ich entschied mich für einen beigen Pullover mit schwarzen Streifen. Der Preis von 12,- € war meiner Meinung nach ganz in Ordnung und stolz trug ich ihn aus dem Laden.
In diesem Moment konnte ich noch nicht ahnen, dass ich diesen Pullover, erst mal zu Hause wieder angekommen, maximal noch bei der Gartenarbeit anziehen durfte. Da war mein Geschmack mit dem meiner Frau gründlich auseinander gegangen.
Für meinen künftigen Weg leistete mir mein neu erstandenes Kleidungsstück jedenfalls erstmal gute Dienste. Über Geschmack lässt sich eben trefflich streiten.
Auf der Suche nach einem guten Abendessen fanden wir unsere Lisa wieder. Wohlvergnügt und offensichtlich bestens erholt saß sie, umringt von ein paar Spaniern, in einer Tapasbar. Unsere Fürsorge hatte wahrlich Wunder vollbracht.
„Wenn der morgige Tag auch wieder so gut verläuft und ich meine Grippe nun vollends hinter mich gebracht hätte“,
überlegte ich beim gemeinsamen Tapasessen, „könnten es morgen bestimmt wieder 30 Kilometer Tagespensum werden.“ Der heutige Tag gab mir jede Menge Hoffnung, fühlte ich mich doch selbst jetzt noch richtig fit.
Morgen beginnt ein neuer Tag und der wartet mit neuen Erlebnissen, neuen und alten Freunden.
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8. Tag: Logroño – Nájera
(29,9 km)
Nach einer erholsamen Nacht startete ich um 8:30 Uhr. Karl hatte zwar dieselbe Pension wie ich, aber wir hatten uns nicht verabredet am Morgen zusammen loszugehen. Die meisten Pilger, die ich unterwegs traf, waren allein unterwegs. Natürlich wandert man nicht den ganzen Tag allein, da man immer wieder auf andere Pilger trifft, aber das „Ziel ist der Weg“ und man möchte auf dem Camino viel Zeit mit sich selbst verbringen. Gegen gelegentliche Abwechselung ist nichts einzuwenden, trotzdem muss genügend Zeit für sich selbst bleiben.
Karl formulierte seine Gedanken dazu wie folgt:
„ Du triffst auf dem Camino die nettesten, offensten Menschen dieser Welt. Machst du den Weg, dann geht es dir danach viel besser. Du erfährst auf dem Weg, was wirklich wesentlich im Leben ist. Dein Kopf wird leer, füllt sich danach mit neuem Leben, gibt dir Kraft .“
Man kann diesen Weg nie wirklich beschreiben, aber ich glaube, so wie es Karl ausdrückte, trifft es die Sache ziemlich gut.
Es war ein langer Weg durch die Stadt, allein bis zum Stadtrand drei Kilometer. Logroño ist eine Stadt mit über 120.000 Einwohnern und die Hauptstadt der spanischen Region Rioja, dem wichtigsten Weinbaugebiet Spaniens.
Dass ich in der Region La Rioja war,
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