Mein wildes Herz
schätzen wussten wie die Männer. Und wenn genug Geld vorhanden war, konnte ein Mann es sich leisten, sich neben seiner Frau auch noch einige Konkubinen zu halten.
Bevor er Draugr verließ, hatte Leif daran gedacht, sich eine Frau zu nehmen, und es hatte einige gegeben, die gerne eingewilligt hätten. Doch er war entschlossen gewesen, die Welt jenseits seiner Insel kennenzulernen, und als sich die Gelegenheit dazu ergab, hatte er zugegriffen. Deswegen hatte er leiden müssen. Aber schlechte Menschen gab es überall, und die Freundlichkeit, die der Professor und seine Tochter ihm zeigten, ließen wieder die Hoffnung in ihm aufleben, dass doch nicht alles vergebens war.
Er wandte sich vom Spiegel ab, ließ den Affen mit dem Versprechen im Badezimmer zurück, ihm Futter zu bringen, und machte sich auf den Weg nach unten. Die engen Hosen rieben an seiner Männlichkeit und ließen ihn an die Blonde denken. Er versuchte, den Gedanken zu verdängen, doch dann sah er sie neben dem Professor stehen.
Sie trug ein Kleid aus einem feinen, weichen Stoff in dem gleichen strahlenden Grün wie ihre Augen. Das Oberteil lag eng an ihrem üppigen Busen an, und ihre Taille war schmaler als die irgendeiner Frau auf seiner Insel. Der Rock ihres Kleides bauschte sich verführerisch über ihren Hüften.
Das Kleid schien noch unbequemer zu sein als die Tracht der Männer, trotzdem gefiel es ihm, denn dort, wo das Oberteil in einem v-förmigen Ausschnitt endete, konnte er einen Blick auf cremeweiße Haut erhaschen. Es waren hübsche runde Brüste, und mit einem Mal saß seine Hose noch enger.
„Guten Abend, Pro-fes-sor“, sagte er und benutzte dabei das englische Wort. „Guten Abend, Frau.“ Er kannte die richtige englische Anrede nicht, doch er würde sie sicher bald lernen.
„Die richtige Anrede ist ‚Miss Hart‘.“
„Miss … Hart“, wiederholte er, und die Aussprache bereitete ihm nur wenig Mühe. Mehr als sechs Monate lang hatte er der Sprache der Menschen dieses Landes gelauscht. Von Anfang an wusste er, dass seine Chancen, die Freiheit zu erlangen, steigen würden, wenn er einige dieser Wörter lernte. Jetzt, wo er frei war, erschien es ihm sogar noch wichtiger.
„Wir werden morgen mit unserem Sprachunterricht beginnen“, sagte der Professor zu ihm. „Heute Abend wollen wir uns nur in deiner Sprache unterhalten. Du musst hungrig sein, Leif. Lasst uns zu Tisch gehen.“
Leif nickte, und sein Magen knurrte als Bestätigung. Insgeheim hoffte er, dass diese Leute etwas Handfesteres aßen als Haferschleim, von dem er die letzten sechs Monate hatte leben müssen.
Krista beobachtete, wie Leif of Draugr vor ihr in das Speisezimmer ging. Auch wenn eine Frau in der Wikingergesellschaft Respekt genoss, so kam sie doch erst nach dem Mann. Und dieser Gedanke gefiel ihr nicht. Wenn Leif in der zivilisierten Welt seinen Weg machen wollte, hatte er noch vieles zu lernen.
Sie wollte ihm schon erklären, dass die Dame immer vor dem Herrn den Raum betrat, als ihr einfiel, was ihr Vater gesagt hatte. Keine Unterrichtsstunde heute Abend. Sicher verdiente der Nordländer ein paar Stunden, in denen er sich einfach nur seiner Freiheit erfreute.
Sie setzten sich zu Tisch, ihr Vater am Kopf der Tafel und Leif zu seiner Rechten.
„Ich kann mir vorstellen, dass du hungrig bist“, sagte Krista, um eine ungezwungene Atmosphäre bemüht.
„Ich könnte das ganze Hinterteil eines Schafes verdrücken“, erwiderte er mit einem schelmischen Lächeln, das Grübchen auf seine Wangen zauberte. Lieber Gott, es gehörte verboten, dass ein Mann so gut aussah. Das war nicht fair gegenüber dem Rest der Männerwelt. Aber seine ungehobelte Bemerkung ließ sie erkennen, dass er doch nicht viel mehr war als ein hübsches Gesicht. Und an solchen Männern war sie nie interessiert gewesen.
Ihr Vater räusperte sich, um sie zu warnen, Leifs Benehmen nicht zu korrigieren und fing dann an, ihm Fragen zu stellen. Sie sprachen schnell, sodass Krista einiges von der Unterhaltung entging, doch sie glaubte verstanden zu haben, dass Leif unverheiratet war und keine Kinder hatte. Außerdem war er der älteste Sohn eines Chiefs.
„Ich kenne siebenundzwanzig Sommer“, sagte er. „Und wie alle Männer unserer Insel, konnte ich nicht erwarten, die Welt jenseits meiner Heimat zu entdecken.“
Krista breitete die Serviette über ihren Schoß. „Du hast erwähnt, dass das Schiff, das ihr gebaut habt, irgendwo nördlich von hier gesunken ist.“
Er nickte und
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