Mein wildes Herz
wieder in sein Gesicht sah.
Ein wenig amüsiert verzog Leif die Mundwinkel. „Wenn du willst, dass die neuen Kleider passen, Frau, solltest du nicht so auf diese besondere Stelle starren.“
Krista wurde feuerrot. Du lieber Gott, wie sprach er denn mit ihr! Mit ihren einundzwanzig Jahren hatte Krista oft genug den Gesprächen der Frauen gelauscht, um über die Anatomie eines Mannes Bescheid zu wissen. Wegen seiner Größe und dem, was seine eng sitzende Hose enthüllte, wusste sie, dass Leif Draugr gut ausgestattet sein musste. Krista versuchte zu verdrängen, was dies für eine Frau bedeutete, doch sie musste immer daran denken.
Das Schlimmste war, dass Leif ihr Interesse zu spüren, ja, dass es ihm zu gefallen schien.
„Für eine Frau ist es gut zu wissen, was sie erfreut.“
Krista verbiss sich die grobe Antwort, die ihr auf der Zunge lag, und reckte die Schultern. „Die Zeit wird knapp“, sagte sie zu Mr. Ward. „Wollen wir nicht fortfahren? An meinem Schreibtisch wartet noch eine Menge Arbeit auf mich.“
„Natürlich“, entgegnete Stephen Ward. „ Lassen Sie mich nur noch rasch Maß nehmen, und dann werden wir entscheiden, was Ihren Freund gut kleiden könnte. Davon ausgehend können wir dann den Stoff und die Farben wählen, die ihm am besten stehen. Wenn wir fertig sind, können Sie ihn dann nebenan in Menkins Hutladen bringen. Dort findet er jeden Hut, den er sich nur wünscht. Und für Stiefel und Schuhe dann die Straße hinunter zu Beasley und Hewitt.“
Der Ladenbesitzer rollte die dunklen Augen. „Ich wage zu sagen, dass Mr. Draugr sehr viel Glück hat. Stellen Sie sich nur vor, am Ende des Tages ist er stolzer Besitzer einer kompletten neuen Garderobe.“
Eine komplette neue Garderobe , dachte Krista verdrossen – und sie und ihr Vater würden die Rechnung bezahlen. Ein we nig Dankbarkeit war wohl das Mindeste, was man von Leif erwarten konnte.
Stattdessen knurrte und murrte er während der ganzen Anprobe, beklagte sich über den unbequemen Sitz der Kleidung und den kratzigen Stoff.
„Auf Draugr sind die Kleider dazu gemacht, bequem zu sein“, erzählte er ihrem Vater und richtete dann die blauen Augen auf Krista. „Wie kannst du in solch enger Kleidung arbeiten? Ich würde meinen, sie schneiden dir die Blutzufuhr zum Kopf ab.“
Krista war gerade dabei, Dutzende von Stoffen und Modeentwürfen durchzusehen. Sie unterbrach ihre Arbeit und warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Zivilisierte Frauen ziehen sich eben so an. Es ist die … die …“ Sie kannte das altnordische Wort für ‚modisch‘ nicht und war sich auch nicht sicher, ob es so ein Wort überhaupt gab. „… die anständige Art, sich zu kleiden. Die meisten Männer finden die Art, wie wir uns kleiden, sehr anziehend.“
Sie wollte nicht zugeben, dass er eigentlich recht hatte, da gerade sie es hasste, dieses lächerlich unbequeme Fischbeinkorsett zu tragen, das ihre Taille zusammenschnürte und ihrem Körper diese Sanduhrform gab, die heutzutage so modern war.
Leif betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Er registrierte ihre schmale Taille und für einen Augenblick ruhte sein Blick auf ihrem Busen, bevor er zu ihrem Gesicht zurückkehrte.
Er nickte knapp. „In diesem Punkt muss ich den anderen Männern zustimmen. Doch ich glaube, deine Schönheit hat wenig mit Kleidern zu tun. Eigentlich wärst du ohne Kleid viel anziehender.“
Entgeistert sah Krista ihn an. Sie konnte nicht glauben, dass er das gesagt hatte und dazu ausgerechnet noch vor ihrem Vater!
Der Professor räusperte sich und wandte sich an Stephen Ward. „Wie meine Tochter schon sagte, hat sie heute Nachmittag noch eine Menge zu tun. Wenn wir uns vielleicht ein wenig beeilen könnten …“
„Ja, ja, natürlich.“ Der Schneider sputete sich mit der Anprobe, und seine Lehrlinge halfen ihm dabei.
„Mr. Draugr braucht die Anzüge sehr bald“, erklärte Krista ihm. „Für Ihre Mühe sind wir gerne bereit, jeden Preis zu zahlen, den Sie für angebracht halten.“
Wards Äuglein leuchteten bei der verlockenden Aussicht, die sich da vor ihm auftat. „Nun gut, ich sehe die Dringlichkeit natürlich ein. Die Sachen könnten in drei Tagen für die erste Anprobe bereit sein. Die Anzüge dürften dann am Ende der Woche fertig sein.“
„Sehr gut“, sagte der Professor und sah überaus erfreut drein. „Wir werden in drei Tagen wiederkommen.“
Sie verließen den Laden, machten Halt bei den Hutmachern und dann noch bei den Schuhmachern am Ende des
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