Mein wildes Herz
Segen der Götter, dass du zugestimmt hast, mich zu unterrichten.“ Sein Blick wanderte zu Krista. „Wenn ich gelernt habe, was nötig ist, werde ich zurückkehren.“
In seinen Augen lag etwas, bei dem Krista heiß und kalt wurde. Es war lächerlich. Der Mann hatte kein Geld, keine Zukunft. Er konnte weder lesen noch schreiben und noch nicht einmal Englisch sprechen. Und doch war da etwas an ihm …
„Vater hat recht“, sagte sie zu Leif und war auf einmal dankbar, dass eine Entscheidung gefallen war. „Wenn du erst einmal auf dem Land bist, wirst du viel leichter lernen können. Und ich glaube, es wird dir dort gefallen. Die Luft ist klar, und das Gras grün. Vielleicht wird alles dort mehr deiner Heimat ähneln.“
Und sie würde wieder ein normales Leben führen, wie sie es seit dem Tag, an dem sie Leif of Draugr im Zirkus entdeckte, nicht mehr hatte tun können.
Nachdem ihr Vater ihnen seine Neuigkeit mitgeteilt hatte, entließ er Krista. Sie stand auf, um zu gehen, während die Männer sich auf ihre Arbeit vorbereiteten. Ihr war, als wäre ihr eine Bürde von den Schultern genommen worden. Leif würde nicht mehr da sein. Ihr Leben würde wieder ihr gehören.
Zum ersten Mal seit Tagen konnte sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren.
8. KAPITEL
Die Wochen vergingen. Der April ging in den Mai über, der Sommer kam näher. Die Nachmittage wurden warm und dann heiß, als der Juni in den Juli überging. Die Abonnentenzahl der Zeitung wuchs, und es kam Geld herein.
In den Monaten, seitdem Leif und ihr Vater die Stadt verlassen hatten, war Heart to Heart zur erfolgreichsten Damengazette in London geworden. Zusammen mit Coralee hatte Krista hart daran gearbeitet, eine Leserschaft aufzubauen. Ihre Anstrengungen hatten sich ausgezahlt.
Und die langen Arbeitsstunden hielten sie auch davon ab, ihren Vater allzu sehr zu vermissen. Sie war an seine Gesellschaft und seinen Rat gewöhnt. Selbst die Gegenwart ihrer Tante, die sich angeboten hatte, als Anstandsdame zu fungieren, während der Professor mit seinem Schüler arbeitete, konnten die Lücke nicht füllen, die seine Abwesenheit hinterließ.
Krista redete sich ein, dass sie Leif nicht im Geringsten vermisste. Er war grob und direkt und ohne einen Hauch von Manieren. Er lebte in einer völlig anderen Welt, in die er schließlich zurückkehren würde. Dass sie sich immer noch an seine heißen Küsse erinnerte, bestärkte sie nur noch in ihrem Entschluss, ihn zu vergessen.
Trotzdem wartete sie ungeduldig auf die Briefe ihres Vaters, in denen er immer wieder Leifs ungewöhnliche Begabung zum Lernen lobte und seine vielen Vorzüge pries. Sie erinnerte sich an eine Stelle im ersten Brief, den sie erhalten hatte.
Der Mann ist erstaunlich intelligent, weit mehr, als ich zu Anfang vermutete. Er hat bereits zu lesen begonnen und besitzt ein unglaubliches Ohr für die Sprache. Es scheint ihm hier auf dem Land zu gefallen. Er sagt, seine Hei matinsel habe die gleiche frische Luft, doch trüge jede Brise dort den Geruch des Meeres mit sich. Es ist felsig dort, vermutlich eher wie in Schottland und kälter natür lich.
Jeder Brief berichtete über Leifs Fortschritte, und auch ihr Vater lernte einiges über Leifs Kultur.
Durch das, was Leif mir erzählt, bin ich jetzt überzeugt, dass sein Volk im frühen sechzehnten Jahrhundert von Grönland her eingewandert ist. Allem Anschein nach sind die Leute auf Draugr völlig autark. Ich schreibe über die ses Thema, doch Leif hat mir das Versprechen abgefordert, seine Identität oder die Lage seiner Heimatinsel nicht zu verraten.
Jeder Brief lenkte Kristas Gedanken auf Leif, und noch Tage danach dachte sie über ihn nach.
Glücklicherweise hielt Tante Abby sie davon ab, sich zu langweilen. Lady Abigail Chapmann Brooks, die Witwe eines einstmals berühmten Londoner Anwalts, war die Schwester von Kristas Mutter. Jetzt lebte Tante Abby auf einem hübschen Landsitz in Oxfordshire, kam aber jedes Jahr zur Saison nach London. Sie war achtundvierzig Jahr alt, mit Silbersträhnen im einstmals blonden Haar und einer grazilen Figur, die immer noch die sehnsüchtigen Blicke der Männer auf sich zog.
Tante Abby war lebhaft und charmant, eine spritzige Persönlichkeit, die in vollen Zügen ihr Leben genoss. Und das war gut für Krista, denn ihre Tante zwang sie, am hektischen Gesellschaftsleben teilzunehmen, das Krista sonst mied.
„Aber wir müssen zu Lord Staffords Ball gehen, Liebes“, meinte Tante Abby und sprach damit das
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