Mein wildes Herz
konnte, hatte er sie die Hintertreppe hinunter und aus der Tür getragen und sie in ein Laken gewickelt in eine Mietdroschke geworfen.
Er nahm sie mit zur Insel Draugr.
Er entführte sie gegen ihren Willen.
Und das würde Krista ihm nie verzeihen.
Zu dieser Nachtstunde war es still im Hafen. Eine steife Brise kam vom Meer herein und trieb kleine Wellen über die Wasseroberfläche, doch der Himmel war klar, die Luft kalt und sauber.
In der Kajüte des Schiffseigners lag Krista zugedeckt auf Leifs Koje, die, wie sie jetzt bemerkte, groß genug für zwei war, ganz gleich, was Leif davon halten mochte. Den Knebel hatte er nicht entfernt. Andernfalls hätte sie sich die Seele aus dem Leib geschrien.
Er hatte sie auch nicht von den Fesseln befreit. Vielleicht hätte Krista ihn dann umgebracht.
Sie lauschte den Schritten der Mannschaft, die über ihr an Deck hin und her ging und die Bugleinen löste, um lossegeln zu können. Mit Ächzen und Knarren entfernte sich das Schiff schwankend vom Ankerplatz und glitt in den Hafen hinaus. Als es Fahrt aufnahm, befahl der Kapitän einem der Matrosen, in die Takelage zu klettern und das oberste Segel loszumachen. Dann wurden die restlichen Segel gesetzt. Das Schiff lag im Wind und bewegte sich rasch in die offene See hinaus.
Durch die Schiffsplanken hindurch hörte Krista, wie Captain Twig weiter Befehle brüllte. Leif mochte ein Wikinger sein, und die Wikinger waren einmal die besten Seeleute der Welt gewesen. Doch in fast dreihundert Jahren hatte sich die Bevölkerung von Draugr zu Landbewohnern gewandelt, und Leif war klug genug, seine Grenzen zu erkennen.
Dragon. Wie gut der Name zu ihm passte! Sie hatte ihn mit einem Löwen verglichen, doch Drache passte besser zu ihm. Herzlos, gefühllos und nur an sich selbst denkend. Ein Mann, der entschlossen seinen Weg ging, koste es, was es wolle.
Mindestens drei Stunden waren vergangen, seit sie London verlassen hatten, als er in die Kabine kam. Krista taten von der unbequemen Haltung in der Koje die Arme weh. Sie war erschöpft und wütend wie noch nie in ihrem Leben.
Im Schein der Messinglampe, die an der Wand hing, sah sie Leif in die Kabine treten.
„Ich werde deinen Knebel lösen, aber nur, wenn du versprichst, nicht zu schreien. Doch selbst wenn du es tust, wird keiner kommen.“
Am liebsten hätte sie das ganze Schiff zusammengeschrien, doch sie wusste, dass es ihr nicht helfen würde. Also nickte sie und wartete, während er das Tuch um ihren Mund löste und den Knebel entfernte.
„Wie konntest du nur?“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Wie konntest du das tun, obwohl du wusstest, wie ich empfinde?“
„Du gehörst mir“, sagte er knapp. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde etwas zurücklassen, das mir gehört?“
„Ich bin nicht dein !“ , schrie Krista. „Ich bin kein Besitz, der dir oder sonst irgendjemandem gehört!“
Warnend hielt er den Knebel hoch, und sie bändigte ihre Wut. „Bitte, binde mich los. Ich kann doch nirgendwo hingehen – außer, über Bord springen – und das werde ich ganz sicher nicht tun.“
Ohne zu zögern trat er zu ihr, zog ein Messer aus seinem schwarzen, kniehohen Stiefel und schnitt ihre Fesseln durch.
Langsam setzte Krista sich auf. „Jetzt bin ich also deine Gefangene.“
„Du bist meine Verlobte.“
„Seltsam, ich erinnere mich nicht, einer Heirat zugestimmt zu haben.“
Er zuckte die Schultern. „Wenn du nicht die Absicht hattest, mich zu heiraten, hättest du dich mir nicht hingeben dürfen.“
„Aber ich … du …“ Sie holte tief Luft. „Was ist mit meinem Vater? Er wird sich zu Tode ängstigen.“
„Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen. Ich glaube, in seinem Herzen weiß er, dass ich das Richtige getan habe.“
„Was ist das Richtige ? Zu irgendeiner primitiven, gottverlassenen Insel des sechzehnten Jahrhunderts zu segeln? Mich zu zwingen, mein Heim zu verlassen? Und meine Arbeit? Hältst du das für das Richtige?“
Leif schenkte ihren Worten keine Beachtung. Er streckte die Hand aus und fasste sie am Kinn. „Schlaf ein wenig, kaereste .“ Süße. „Morgen wirst du die Dinge klarer sehen.“
Krista verbiss sich eine Antwort. Was für ein eingebildeter, herrschsüchtiger Mann! Er brachte sie zur Weißglut! Am liebsten hätte sie ihm diese Worte ins Gesicht geschrien, doch dann hätte sie sich zweifellos erneut gefesselt in der Koje wiedergefunden.
Stattdessen stand sie, kaum dass er gegangen war, auf und
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