Mein Wille geschehe
sie kennen
lernte. Soweit ich mich erinnern kann, kam er
zuerst mit ihr ins Gespräch, aber sie hat uns bei-de angebaggert. Ich hab nicht angebissen, aber
er. Danach schien sie ziemlich darauf zu achten,
dass er nicht mehr viel Zeit mit seinen Freunden
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verbrachte. Sie schien uns als Bedrohung zu be-
trachten.«
»Weshalb?«
»Wir hätten ihr ja die Tour vermasseln können«,
antwortete Zach. »Corey war zu verknallt, um es
zu merken, aber sie wirkte auf mich regelrecht
verzweifelt. Ansonsten war sie ja okay gewesen,
aber wenn Frauen so verzweifelt wirken, gehen
bei mir die Warnlampen an.«
»Haben Sie eine Ahnung, was mit ihr los war?«
»Weiß der Himmel«, sagte er und zuckte die Ach-
seln. »Vielleicht hatte es was damit zu tun, dass sie siebenundzwanzig und immer noch ledig war,
obwohl das heutzutage wirklich keine Schande
mehr ist. Ein paar von uns haben versucht, ihn
von so einer überstürzten Bindung abzuhalten.
Wozu die Eile? Aber sie machte mächtig Druck,
und er war total unerfahren. Vielleicht hatte er
Angst, dass er sie verlieren würde, wenn er zö-
gerte.«
»Ist Ihnen irgendeine Veränderung an Corey auf-
gefallen seit seiner Hochzeit? Oder seit seiner
letzten Patrouille?« Zach dachte einen Moment
nach. »Er wirkte vielleicht ein bisschen ange-
spannter, aber das musste nicht unbedingt mit
seiner Ehe zu tun haben.«
»Wie kam er mit der Abtreibung zurecht?«
»Er war sehr wütend und verletzt. Aber dann er-
zählte er mir, er ginge viel zur Kirche, und der
Pfarrer hätte ihn dort in eine Gruppe eingeführt, 177
die ihm helfe, das zu verkraften.«
»Wird er schnell wütend?«, erkundigte sich Jes-
sup. »Neigt er zum Jähzorn?«
»Ist mir nie aufgefallen.«
»Halten Sie Corey für einen Menschen, der im
Stande wäre, ein Gebäude voller Menschen in die
Luft zu jagen?«
»Niemals«, sagte der Leutnant mit Nachdruck.
»Wie die Ehe sich auch auf ihn ausgewirkt haben
mag: Seine Persönlichkeit hat sich deshalb nicht
verändert. Und ihm geht es vor allem darum, zu
verteidigen und zu schützen, nicht darum an-
zugreifen.«
»Auch nicht, wenn er sein ungeborenes Kind rä-
chen wollte?« Zach seufzte. »Dann müsste er
völlig durchgedreht sein«, räumte er ein. »Ich
habe keinerlei Anzeichen davon bemerkt und
auch niemand, den ich kenne, aber wenn Sie
mich drauf festnageln wollten – das könnte nur
passiert sein, wenn er durchgedreht wäre.«
»Sein bester Freund scheint auf seiner Seite zu
sein«, bemerkte Louise. »Auch wenn er am Ende
Abstriche machte.«
»Keiner scheint den Jungen beschuldigen zu wol-
len«, sagte Jessup. »Aber sie wollen auch alle
nicht dumm dastehen.«
»Corey Latham ist ein guter Mensch«, verkündete
Tom Sheridan mit tragender Predigerstimme.
»Man kann sich kaum einen besseren vorstellen.«
Jessup wurde von dem Pfarrer im Büro des Pfarr-
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hauses neben der Kirche empfangen, einem
Raum mit schweren Balken an der Decke. Sheri-
dan nahm die Hand des Detektivs herzlich in sei-
ne beiden Pranken, dann hielt er ihm einen Stuhl
hin.
»Er gehört zu unserer Hilfsgruppe am Donners-
tag, wissen Sie.«
»Das wusste ich nicht«, erwiderte Jessup. »Wor-
um handelt es sich da?«
»Einige Kirchen haben sich zusammengetan, um
den Obdachlosen warme Mahlzeiten zukommen
zu lassen. Unsere Kirche ist am Donnerstag dran.
Warten Sie, ich glaube, Corey hat sich uns vor
etwa einem Jahr angeschlossen, und soweit ich
mich entsinnen kann, hat er nicht einen Donners-
tag versäumt, es sei denn, er war auf See.«
»Interessant«, murmelte Jessup und speicherte
diese Information ab. »Können Sie mir vielleicht
etwas über diese Selbsthilfegruppe sagen, zu der
Sie ihm den Zugang vermittelt haben?«
»Natürlich, gerne«, antwortete Sheridan. »Das ist keine offizielle Gruppe der Kirche, aber sie wurde von einem unserer Gemeindemitglieder ins Leben
gerufen. Sie kümmert sich um Menschen, die ein
Kind verloren haben.«
»Durch eine Abtreibung?«
»Aus welchem Grund auch immer. Tod ist Tod,
und Verlust ist Verlust, wie auch die Hintergründe sein mögen. Und der Verlust eines Kindes ist für
die meisten Menschen das Schlimmste, was ihnen
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im Leben widerfahren kann.«
»Wie verhielt sich Corey in der Gruppe?«
»Man berichtete mir, dass er sich für die anderen als ebenso wertvoll erwies wie sie für ihn«, sagte der Pfarrer mit einem kleinen Lächeln. »So ist
Corey eben, wissen Sie. Es interessiert
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