Mein Wille geschehe
kommt?«
»Wenn nicht durch den Schuldspruch, dann durch
die Todesstrafe.«
»Aber sind terroristische Akte nicht meist deshalb erst möglich, weil Terroristen so fanatisch ihr Ziel verfolgen, dass sie auch zu sterben bereit sind?«, fragte Phillips. Der Sprecher zuckte die Achseln.
»Ich bin Jurist, kein Psychologe. Aber ich finde, ein toter Terrorist ist ein Terrorist weniger.«
Seit drei Monaten nahm Reverend Jonathan Heal
nun schon Corey Latham in seine öffentlichen
Gebete auf. Der Prediger hatte den jungen Mann
nie kennen gelernt, ließ jedoch keine Gelegenheit aus, in der abendlichen Gebetsstunde Coreys
zahlreiche Tugenden zu loben und über die Unge-
rechtigkeit der Umstände zu wettern.
Dieses Vorgehen zahlte sich aus. Langsam, aber
stetig fanden immer größere Summen – in Form
von Schecks, Münzen, Scheinen – den Weg in das
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Postfach des Reverends. Sie kamen aus allen Tei-
len des Landes und waren stets begleitet von er-
mutigenden Mitteilungen für den jungen Leut-
nant. Die zwei Buchhalter des Predigers vermoch-
ten die Berge von Post kaum noch zu bewältigen.
»Wir mussten doppelt so häufig zur Post gehen,
um Platz im Fach zu machen«, sagte der eine.
»Und was machen wir nun damit?«, fragte der
andere. »Wie viel ist es?«, wollte Heal wissen.
»Fast drei Millionen Dollar, und es wird immer
noch mehr.« Der Reverend legte den Kopf in den
Nacken und lachte. »Die Macht des Gebets«, rief
er aus.
»Das behalten wir doch sicher nicht alles?«, er-
kundigte sich der erste Buchhalter.
»Aber gewiss nicht«, antwortete Heal. »Schreiben
Sie einen Scheck aus, sagen wir mal über zwei-
hundertfünfzigtausend Dollar, und schicken Sie
ihn nach Seattle. Der Rest geht in unsere Spen-
denkasse.«
»Nur zweihundertfünfzigtausend?«, raunte der
zweite Buchhalter dem ersten zu. »Mehr kriegt er
nicht?« Der Erste zuckte die Achseln. »Wird doch
keiner erfahren, oder? Der Leutnant wird begeis-
tert sein über seine Viertelmillion, und wir beide kriegen an Weihnachten einen dicken Bonus, weil
wir so brave Mitarbeiter sind.«
Der Präsidentschaftswahlkampf lief auf Hochtou-
ren. Mitte Juni waren die beiden Kandidaten in
den Vorwahlen bestätigt worden. Weder auf dem
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Parteitag der Republikaner im Juli noch auf dem
der Demokraten im August war mit Veränderun-
gen zu rechnen.
Überraschungen, Kontroversen, politische
Schachzüge in letzter Minute wurden von nie-
mandem erwartet. Die auf die Kandidaten ange-
setzten Reporter mussten sich bemühen, um an
interessante Informationen zu kommen.
Die Meinungsforscher gaben bekannt, dass die
Programme der beiden Kandidaten wenig Unter-
schiede aufwiesen. Beide sprachen sich für ein
starkes Militär, Verbesserungen im Bildungs- und
Gesundheitswesen und Sparmaßnahmen für den
Haushalt aus. Nur in einer Sache vertraten sie
einen absolut gegensätzlichen Standpunkt: bei
der Abtreibung.
»Wir sind doch angeblich eine zivilisierte Gesellschaft«, verkündete Prudence Chaffey in »Larry
King Live« auf CNN. »Wie lässt sich dann begrei-
fen, dass der Mord an unschuldigen Kindern im
Mutterleib geduldet, aber die Tötung ihrer Mörder abgelehnt wird?«
»Doch im Hill House kamen nicht nur Menschen
zu Tode, die Abtreibungen vornahmen«, erwider-
te King. »Das stimmt, und das ist auch sehr tra-
gisch«, gab die Vorsitzende der Organisation
»Abtreibung ist Mord« zu. »Und wir sollten dafür
sorgen, dass so etwas nicht mehr geschieht.
Deshalb werde ich den republikanischen Kandida-
ten zum Präsidenten wählen. Er hat uns einen
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Verfassungszusatz versprochen, der allen Ameri-
kanern das Recht auf Leben zusichern wird. Und
er will im Kongress durchsetzen, dass Abtreibung
künftig strafbar ist.«
»Wie genau soll das vonstatten gehen?«
»Es dürfte nicht allzu schwer sein«, antwortete
die Gesellschaftsdame aus Houston. »Wie wir
wissen, ist die Mehrheit der Menschen hier zu
Lande gegen Abtreibung. Sie müssen also nur im
November dem Kandidaten ihre Stimme geben,
der auch die Ansicht vertritt, dass die Morde an
Ungeborenen aufhören müssen. Sobald das ge-
schafft ist, wird Abtreibung eine Sache der Ver-
gangenheit sein.«
»Der demokratische Präsidentschaftskandidat ist
mitnichten verantwortungslos, wie die Republika-
ner uns gerne glauben machen wollen«, sagte
Priscilla Wales einige Tage später zu Larry King.
»Er ist nur nicht der Ansicht, dass die Regierung den Bürger
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