Mein Wille geschehe
dem Gesprächsraum
gegenübersaß. »Ich werde mit Dana McAuliffe
zusammenarbeiten.« Der junge Mann, der sich
wegen seiner Fesseln den typischen schleppen-
den Gang von Gefängnisinsassen angewöhnt hat-
te, sah sie ausdruckslos an.
»Danke«, erwiderte er höflich.
»Sie sollten mir erst danken, wenn Sie frei sind«, sagte Joan und lächelte ihn freundlich an.
»Werden Sie das schaffen?«, fragte er tonlos. Er
schien keine Antwort zu erwarten. »Sollten wir
nicht?«, konterte sie.
Er verengte die Augen, als er sie ansah. »Konn-
ten Sie frei entscheiden?«, fragte er. »Was?«
»Ob Sie mich verteidigen wollen. Hätten Sie auch
ablehnen können?«
»Natürlich«, antwortete sie leichthin, denn das
209
entsprach der Wahrheit. »In meiner Kanzlei muss
niemand einen Fall übernehmen, an dem er nicht
arbeiten möchte.« Sie hielt einen Moment inne.
»Ehrlich gesagt war ich ganz wild darauf«, fügte
sie hinzu. »Sehen Sie, ich werde nach diesem
Prozess vermutlich sogar Sozius werden in der
Kanzlei, auch wenn wir verlieren. Aber wenn wir
gewinnen, ist mir das sicher. Fühlen Sie sich nun besser oder schlechter?« Er musste unwillkürlich
lachen. »Ich glaube, besser«, sagte er. »Sie ha-
ben viel Ähnlichkeit mit Dana. Sie sind auch so
geradeheraus.«
»Keine Sorge, was auch passiert – keine von uns
wird Sie anlügen«, versicherte ihm Joan, ge-
schmeichelt über den Vergleich. »Sie kriegen die
schlechten Nachrichten in einem Aufwasch mit
den guten.«
»Wissen Sie, ich würde Ihnen gerne helfen bei
meiner Verteidigung«, sagte er. »Aber ich weiß
nicht, was ich noch tun kann, außer zu sagen,
dass ich es nicht war.«
»Keine Sorge, Sie können uns helfen«, sagte
Joan. »Beim Prozess können Sie in den Zeu-
genstand treten und diese Aussage machen, und
zwar so überzeugend wie möglich.«
»Das Komische ist: Ich schaue in den Spiegel und
sehe mich, die Person, die jeder kennt, der mich
kennt«, sagte er. Sie hörte die Verzweiflung in
seiner Stimme. »Dann lese ich die Zeitung, und
da wird jemand beschrieben, in dem ich mich
210
nicht wiederfinde.«
»Das ist nichts Ungewöhnliches«, versicherte sie
ihm. »Das ist typisch für die Medien. Was sie
nicht wissen, wird dazuerfunden.«
Er sah sie unsicher an. »Aber woher sollen die
Geschworenen dann wissen, wie ich wirklich
bin?«, fragte er.
»Also, ich hab mit ihm gesprochen«, sagte Joan
zu Dana. »Und?«
Die junge Anwältin schüttelte den Kopf. »Ich ha-
be mir immer was eingebildet auf meine Men-
schenkenntnis, dachte, dass ich jemanden auf
Anhieb einschätzen könnte. Aber bei dem Mann
bin ich ratlos. Ich gebe zu, dass ich völlig überzeugt war von seiner Schuld. Ich dachte mir, ich
gehe ins Gefängnis und seh ihn mir an, und
nachher sage ich dir, dass du allmählich klar se-
hen solltest.« Dana gluckste. »Und jetzt?«
»Jetzt fange ich an, nach jeder Lücke in der An-
klage zu suchen. Weil mir Zweifel gekommen
sind.«
»Vor meinem ersten Termin mit ihm hatte ich
genau dasselbe Gefühl wie du«, entgegnete Da-
na. »Ich wollte, dass er der Schuldige ist, also
war er es für mich auch. Ich wollte diesen Fall
nicht übernehmen. Ich wünschte mir eine ver-
nünftige Begründung, um ihn abzulehnen. Du
siehst, wohin das geführt hat.«
Joan zuckte die Achseln. »Zwei verrückte Frau-
en«, sagte sie.
211
Plötzlich kam Dana der Gedanke, ob Paul Cotter
vielleicht deshalb so großes Interesse daran hat-
te, zwei Frauen mit dem Fall zu betrauen. Der
Mandant hatte nun zwei Frauen an seiner Seite,
die verrückt genug waren, ihm zu glauben.
»Der anonyme Hinweis kam mit der Post«, sagte
AI Roberts zu Craigjessup. »War mit Computer
geschrieben und in Seattle abgestempelt. Uns
wurde mitgeteilt, dass die Frau eines in Bangor
stationierten Offiziers kürzlich in Hill House eine Abtreibung hatte vornehmen lassen, dass der
Mann ziemlich wütend darüber sei und wildes
Zeug rede.«
»Mehr stand nicht drin?«, fragte Jessup. »Das
war alles«, antwortete Roberts.
212
20
»Im Fall Corey Latham möchten wir eine eindeu-
tige Stellungnahme abgeben«, sagte ein Sprecher
der Staatsanwaltschaft von King County in »Da-
teline« zu Stone Phillips. »Und wie lautet sie?«, fragte Phillips.
»Wir werden keine Terroristen dulden in diesem
Land, ob sie nun aus dem Nahen Osten kommen
oder aus Iowa.«
»Meinen Sie, dass diese Stellungnahme durch
einen Schuldspruch klar zum Ausdruck
Weitere Kostenlose Bücher