Mein Wille geschehe
Auch niemand von der Staatsanwaltschaft
oder von der Polizei. An einem sonnigen Nachmit-
tag Ende Juni rief Kirby schließlich den Herausgeber an.
»Ob es mit dem Pulitzer-Preis was wird, weiß ich
nicht«, sagte er, »aber das Thema für meine Sto-
ry hab ich gefunden.«
»Und?«, fragte der Herausgeber.
»Die Anwältin des Jungen«, antwortete Kirby.
»Aber die wird nicht mit Ihnen reden«, wandte
sein Boss ein.
»Sie redet mit keinem.«
»Ja, genau darum geht es«, antwortete Kirby.
»Warum nicht?«
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Judith Purcell steuerte den Wagen hektisch auf
die Auffahrt vor ihrem Haus in Beacon Hill und
sprang heraus. Sie war erleichtert, dass sie es
überhaupt bis nach Hause geschafft hatte. Ir-
gendetwas Katastrophales bahnte sich da an. Un-
ter der Kühlerhaube ihres Autos quoll dicker
Rauch hervor, der ihr zuletzt fast die Sicht ge-
nommen hatte. Es war nicht zu fassen. Was ihr
gerade noch fehlte, war ein kaputtes Auto, und
genau das schien der Fall zu sein. Vor lauter Wut und Hilflosigkeit fing sie an zu weinen. »Sie sollten lieber den Motor abstellen«, sagte plötzlich
eine Stimme hinter ihr.
Judith keuchte. »Natürlich«, rief sie. »Darauf hät-te ich auch selbst kommen können.«
»Ich mach es für Sie«, sagte die Stimme. Sie sah
zu, wie ein Mann um ihren Wagen herumging,
den Motor abstellte, die Schlüssel herauszog und
mit gekonntem Griff die Kühlerhaube öffnete. Er
war mittelgroß und sah nicht sonderlich gepflegt
aus. Seine rotblonden Haare waren zu lang, und
er schien sich seit Tagen nicht rasiert zu haben.
Er trug Khakis und ein T-Shirt und war ihr nicht
bekannt.
»Wenn Sie einen Gartenschlauch haben«, sagte
er, »könnte ich das hier löschen und mal einen
Blick auf den Motor werfen.« Judith holte den
Gartenschlauch, drehte das Wasser auf und sah
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zu, wie der Mann erst den Qualm abziehen ließ
und dann mit dem Kopf unter der Kühlerhaube
verschwand. »Ich hol mir mal einen Schrauben-
schlüssel«, sagte er kurz darauf, schlenderte zu
einem Pick-up, der am Straßenrand geparkt war,
und kramte auf der Ladefläche herum. Mit einem
kleinen Werkzeugkasten kehrte er zurück und
verschwand wieder unter der Kühlerhaube.
»Nichts Schlimmes«, erklärte er etwa eine Vier-
telstunde später. »Der Kühlerschlauch hatte sich
gelöst, das war alles. Ich hab ihn wieder festge-
macht, müsste jetzt alles okay sein. Aber wenn
er noch mal abgeht, sollten Sie in die Werkstatt
fahren und das checken lassen.«
»Oh, vielen Dank«, sagte Judith erleichtert. »Ich bin so froh, dass es nichts Ernsthaftes ist.«
»Die Annehmlichkeiten des modernen Lebens«,
sagte er grinsend. »Mit ihnen können wir nicht
leben, aber ohne sie auch nicht.«
»Sind Sie aus der Gegend hier?«, erkundigte sich
Judith. »Nein«, gab er zur Antwort. »Ich erledige nur ein paar Arbeiten für die Leute nebenan.«
»Zum Beispiel?«
»Ach, dies und das«, sagte er. »Ich bin der Mann
für alles.«
»Oh, dann möchte ich Sie aber bitte für Ihre Hilfe bezahlen«, sagte Judith sofort.
»Nicht nötig«, gab er mit einem breiten Grinsen
zurück. »Ist mir stets ein Vergnügen, wenn ich
einer Dame in Not beispringen kann.«
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Die Dame lächelte. »Kämpfen Sie auch gegen
Windmühlen?«, fragte sie.
Der Mann lachte. »Wenn sich die Gelegenheit bie-
tet«, antwortete er.
Er schien etwa Mitte vierzig zu sein und war zwar nicht gerade umwerfend attraktiv, doch er hatte
ein sympathisches Gesicht und schien nicht un-
kultiviert zu sein. Am interessantesten fand Ju-
dith seine Augen. Sie schienen uralt, als betrach-te er die Welt schon seit hundert Jahren. »Nun,
Sir«, erwiderte sie, »dann seien Sie meiner
Dankbarkeit versichert.«
»Ich werd morgen wieder da drüben sein«, sagte
er und hob die Hand. »Falls das Auto noch mal
Zicken macht.« Judith dachte an den tropfenden
Wasserhahn im Haus, die undichten Fenster, den
launischen Herd und die verstopfte Dachrinne.
Was sie jedoch verdrängte, war die Tatsache,
dass sie kein Geld hatte, um all das reparieren zu lassen. »Wie heißen Sie?«, fragte sie. »Wenn Sie
nicht zu ausgebucht sind, hätte ich vielleicht Arbeit für Sie.« Er lächelte. »Ich hätte schon noch Zeit«, sagte er. »Und ich heiße Tom. Tom Kirby.«
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Fast unmerklich kam der Sommer. Er war ein
wenig trockener und kühler als gewöhnlich, doch
das entging Dana. Sie schätzte an der Jahreszeit
am meisten die Tatsache, dass es bis zehn
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