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Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
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Auch niemand von der Staatsanwaltschaft
    oder von der Polizei. An einem sonnigen Nachmit-
    tag Ende Juni rief Kirby schließlich den Herausgeber an.
    »Ob es mit dem Pulitzer-Preis was wird, weiß ich
    nicht«, sagte er, »aber das Thema für meine Sto-
    ry hab ich gefunden.«
    »Und?«, fragte der Herausgeber.
    »Die Anwältin des Jungen«, antwortete Kirby.
    »Aber die wird nicht mit Ihnen reden«, wandte
    sein Boss ein.
    »Sie redet mit keinem.«
    »Ja, genau darum geht es«, antwortete Kirby.
    »Warum nicht?«
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    Judith Purcell steuerte den Wagen hektisch auf
    die Auffahrt vor ihrem Haus in Beacon Hill und
    sprang heraus. Sie war erleichtert, dass sie es
    überhaupt bis nach Hause geschafft hatte. Ir-
    gendetwas Katastrophales bahnte sich da an. Un-
    ter der Kühlerhaube ihres Autos quoll dicker
    Rauch hervor, der ihr zuletzt fast die Sicht ge-
    nommen hatte. Es war nicht zu fassen. Was ihr
    gerade noch fehlte, war ein kaputtes Auto, und
    genau das schien der Fall zu sein. Vor lauter Wut und Hilflosigkeit fing sie an zu weinen. »Sie sollten lieber den Motor abstellen«, sagte plötzlich
    eine Stimme hinter ihr.
    Judith keuchte. »Natürlich«, rief sie. »Darauf hät-te ich auch selbst kommen können.«
    »Ich mach es für Sie«, sagte die Stimme. Sie sah
    zu, wie ein Mann um ihren Wagen herumging,
    den Motor abstellte, die Schlüssel herauszog und
    mit gekonntem Griff die Kühlerhaube öffnete. Er
    war mittelgroß und sah nicht sonderlich gepflegt
    aus. Seine rotblonden Haare waren zu lang, und
    er schien sich seit Tagen nicht rasiert zu haben.
    Er trug Khakis und ein T-Shirt und war ihr nicht
    bekannt.
    »Wenn Sie einen Gartenschlauch haben«, sagte
    er, »könnte ich das hier löschen und mal einen
    Blick auf den Motor werfen.« Judith holte den
    Gartenschlauch, drehte das Wasser auf und sah
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    zu, wie der Mann erst den Qualm abziehen ließ
    und dann mit dem Kopf unter der Kühlerhaube
    verschwand. »Ich hol mir mal einen Schrauben-
    schlüssel«, sagte er kurz darauf, schlenderte zu
    einem Pick-up, der am Straßenrand geparkt war,
    und kramte auf der Ladefläche herum. Mit einem
    kleinen Werkzeugkasten kehrte er zurück und
    verschwand wieder unter der Kühlerhaube.
    »Nichts Schlimmes«, erklärte er etwa eine Vier-
    telstunde später. »Der Kühlerschlauch hatte sich
    gelöst, das war alles. Ich hab ihn wieder festge-
    macht, müsste jetzt alles okay sein. Aber wenn
    er noch mal abgeht, sollten Sie in die Werkstatt
    fahren und das checken lassen.«
    »Oh, vielen Dank«, sagte Judith erleichtert. »Ich bin so froh, dass es nichts Ernsthaftes ist.«
    »Die Annehmlichkeiten des modernen Lebens«,
    sagte er grinsend. »Mit ihnen können wir nicht
    leben, aber ohne sie auch nicht.«
    »Sind Sie aus der Gegend hier?«, erkundigte sich
    Judith. »Nein«, gab er zur Antwort. »Ich erledige nur ein paar Arbeiten für die Leute nebenan.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ach, dies und das«, sagte er. »Ich bin der Mann
    für alles.«
    »Oh, dann möchte ich Sie aber bitte für Ihre Hilfe bezahlen«, sagte Judith sofort.
    »Nicht nötig«, gab er mit einem breiten Grinsen
    zurück. »Ist mir stets ein Vergnügen, wenn ich
    einer Dame in Not beispringen kann.«
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    Die Dame lächelte. »Kämpfen Sie auch gegen
    Windmühlen?«, fragte sie.
    Der Mann lachte. »Wenn sich die Gelegenheit bie-
    tet«, antwortete er.
    Er schien etwa Mitte vierzig zu sein und war zwar nicht gerade umwerfend attraktiv, doch er hatte
    ein sympathisches Gesicht und schien nicht un-
    kultiviert zu sein. Am interessantesten fand Ju-
    dith seine Augen. Sie schienen uralt, als betrach-te er die Welt schon seit hundert Jahren. »Nun,
    Sir«, erwiderte sie, »dann seien Sie meiner
    Dankbarkeit versichert.«
    »Ich werd morgen wieder da drüben sein«, sagte
    er und hob die Hand. »Falls das Auto noch mal
    Zicken macht.« Judith dachte an den tropfenden
    Wasserhahn im Haus, die undichten Fenster, den
    launischen Herd und die verstopfte Dachrinne.
    Was sie jedoch verdrängte, war die Tatsache,
    dass sie kein Geld hatte, um all das reparieren zu lassen. »Wie heißen Sie?«, fragte sie. »Wenn Sie
    nicht zu ausgebucht sind, hätte ich vielleicht Arbeit für Sie.« Er lächelte. »Ich hätte schon noch Zeit«, sagte er. »Und ich heiße Tom. Tom Kirby.«
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    Fast unmerklich kam der Sommer. Er war ein
    wenig trockener und kühler als gewöhnlich, doch
    das entging Dana. Sie schätzte an der Jahreszeit
    am meisten die Tatsache, dass es bis zehn

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