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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Mädchen, lächelte ihm zu, doch es verbarg sein Gesicht sofort an der Schulter einer Frau. Paschek nahm ein Gesangbuch und hielt es dicht vor sein Gesicht.
    Der Pfarrer sah auf Miriam hinab, Paschek konnte seine Augen im Licht der Kerzen hinter der Brille flackern sehen. In den Händen hielt er ein zugeschlagenes Buch mit einem Kreuz darauf. Seine Lippen und sein Adamsapfel bewegten sich, doch seine Schultern waren hochgezogen, nur minimal, und die Hände steif. Anspannungen erkannte Paschek mit einem Blick. Dann verstummten Orgelspiel und Gesang. Miriam blieb reglos knien.
    »Liebe Kinder, liebe Eltern, von Herzen willkommen in unserer Kirche. Heute ist ein ganz besonderer Morgen …« Während der Typ im Nachthemd die Begrüßungszeremonie durchführte, wurde es von Minute zu Minute heller. Pascheks Blick glitt über die Reihe vor ihm: drei Kinder, junge Frau, drei Kinder, grauhaarige Frau, Mann, Kind, Frau. Reihe davor: nichts Interessantes. Reihe drei: auch nichts. Weiter. Nichts. Keine Sonja. Keine Bullen. Sein Lid zuckte.
    »… doch wer die Schlange eingesperrt hat, geht große Gefahr ein«, hörte er den Pfarrer sagen, »denn nur Gott ist Richter über Leben und Tod.«
    Miriam erhob sich, und der Pfarrer zuckte fast unmerklich zurück. Es gefiel Paschek. Ein paar Kinder begannen zu lachen, und ein Junge rief nach vorn: »Was macht die Frau da, Papa? Kommt jetzt mein Gedicht?«
    »Bald, Sebastian«, sagte der Pfarrer, und kurz erhob sich ein Raunen.
    »Gott schickt uns das Licht und die Liebe«, fuhr der Pfarrer laut fort, »und er spricht zu uns: ›Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten. Wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein.‹« Der Pfarrer trat einen Schritt nach vorn zu Miriam, unsicher, die Schultern noch immer verkrampft. »Zeigen Sie uns den Weg, Miriam, überlassen Sie die Schlange Gottes Urteil, und Sie werden in sein Reich eingehen und Gnade finden.«
    Miriam richtete sich kerzengerade auf, ihre Wirbel saßen exakt übereinander. »Fliehe vor der Sünde wie vor einer Schlange; denn so du ihr zu nahe kommst, sticht sie dich.« Sie reckte die Arme nach oben und rief: »Doch ich fürchte dich nicht, denn ich bin das Licht, und ihr seid die Finsternis!«
    Paschek rührte sich nicht. Was sollte dieser Bibeldialog?
    »Es ist nicht recht, Miriam«, sagte der Pfarrer. »Denn Jesus spricht: Stecke das Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.« Er ging näher zu ihr, streckte eine Hand aus. »Ich möchte nicht, dass Sie umkommen. Ich will, dass Sie leben. Sagen Sie mir, wo die Schlange ist. Gott wird das Böse richten.«
    »Mama, ich will nach Hause«, sagte ein Kind und begann zu weinen.
    Miriam wich zurück, und im selben Moment brach wie Feuer die Sonne durch die Fensterfront.
    Innerhalb von Sekunden stand Miriam in rotes und gelbes Licht getaucht.
    Perfekt inszeniert, dachte Paschek, das musste man dem Pfaffen lassen. Lichtspiele. Beeindruckend.
    Da krachte hinter ihm die Tür zu. Miriam und die anderen Gläubigen fuhren herum. Auch Paschek sah zum Eingang. Ein Kind. Zwei Erwachsene. Verspätete Kirchgänger. Er drehte sich wieder zu Miriam – und starrte in ein Paar aufgerissene Augen, die ihn mit ihrem Blau fixierten und auf ihn zurasten. Schon zerrte Miriam ihn an den Haaren. »Satan«, schrie sie, »du nimmst sie mir nicht!«
    Er schnellte von der Bank hoch, packte ihre Unterarme. »Du irrst, Miriam. Ich bin nicht dein Feind.«
    »Luzifer!« Sie riss sich los und hob die Arme vor ihr Gesicht, schrill hallte ihre Stimme durch das Kirchenschiff. »Satan!« Ihre Schulter rammte sich in seinen Bauch, doch Paschek stieß sie hart zu Boden. »Nicht
ich,
Miriam!«
    Die nächsten Sekunden stürmten wie Blitzlichter auf ihn ein: Miriam vor ihm, der dunkle Steinboden, der in unzähligen bunten Lichtflächen glüht. Kindergeschrei, Leute, die aus den Bänken fliehen und sich an die Wände drücken. Miriams Worte, die sie ihm durch das Chaos entgegenschleudert: »Schwarze Brut! Gefallener!« Der herbeieilende Pfarrer, sein durchdringendes »Nein!«, die Hand, die er sich vor den Mund schlägt, seine Augen, die auf einen Punkt hinter Paschek gerichtet sind, und die Stimme in seinem Rücken: »Polizei, keine Bewegung«; er fährt herum, starrt in Sonjas Fratze, Geschrei, Sonjas angewinkelter Arm mit dem Messer, das auf ihn zukommt, und der Polizist, der Sonja packt, als die blitzende Klinge nur noch einen Millimeter von

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