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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Das hatte sie noch nie gemacht. Ich –«
    Ehrlinspiel ließ seinen Blick durch die Kirche gleiten. Bänke, Seitentüren, Treppe zur Empore, Orgelpfeifen.
    »Sie hat die Hände auf meine Hüften gelegt, sie hat mich betastet«, sagte Müller mit erstickter Stimme. »Sie muss den Schlüssel gesucht haben. Ich habe gestern Abend den Zweitschlüssel benutzt.«
    »Und Sie haben«, fragte Ehrlinspiel viel zu aggressiv, »wieder abgeschlossen, nachdem Sie hier Ihre Sachen gerichtet hatten?«
    »Natürlich.«
    »Gibt es hier so etwas wie eine Katakombe? Einen Keller? Und würde der Schlüssel da passen?«
    »Er passt überall. Es ist ein Generalschlüssel.« Er gab ihn ihm.
    »Verdammt, was ist überall?«, schrie Ehrlinspiel, der den Gedanken an eine schwerverletzte Hanna nicht mehr ertrug.
    Müller zeigte auf zwei Türen in einer getäfelten Holzwand. »Links geht es in den Heizungskeller. Rechts sind Klappstühle und Regale mit Gesangbüchern, die wir oft brauchen.« Er deutete auf die Empore, wo Orgelpfeife an Orgelpfeife höhnisch auf die Gruppe herabzusehen schien. Ein Mann stand oben und blickte zu ihnen. »Unser Organist«, sagte Müller. »Oben ist noch ein kleiner Lagerraum, aber –«
    Ehrlinspiel rannte los.

[home]
46
    A ls sie zu sich kam, war sie tot. Glocken klangen, der Engelschor trug sie hinweg, süßlich und sanft, und die Orgel schickte ihre Klänge bis zu der großen Wolke, auf der sie gebettet lag. Hanna hatte sich das Jenseits anders vorgestellt. Eigentlich hatte sie sich überhaupt noch nie ein Jenseits vorgestellt. Und wenn doch, dann mit einem gigantischen Saxofon-Orchester. Mit jubelnden Klängen, die das Firmament füllten. Und sie mittendrin. Und jetzt war es doch dieser Kitsch. Dieses klebrige Gesäusel leiser Stimmen, das sie schon zu Lebzeiten nicht hatte ausstehen können.
    Wahrscheinlich hatte der Taxifahrer sie im falschen Himmel abgesetzt. Idiot! Ja, sie erinnerte sich. Fahrt. Handysuche. Das Taxi, das davongefahren war, und die Frau ohne Parfum, die wegrannte.
    Der Choral verstummte, eine Stimme erhob sich dröhnend. Sicher Gott oder einer aus seinem Gefolge.
    Sie muss Moritz anrufen. Wegen der Frau. Sie weiß nicht, wo Paul und er gerade sind und was sie aufgescheucht hat beim Grillen. Sie sucht eine Telefonzelle. Rosa. Sie lacht. Dann kommt die Frau angerannt. Barfuß, das Haar strohig. »Mama ist weg«, ruft sie weinend, »sie muss sich verlaufen haben.« Sie sehen sich an. Es ist die Tochter der Kenzo-Frau. »Mama ist so verwirrt, bitte, Sie sind doch Polizistin! Helfen Sie mir.« Hanna überlegt. »Haben Sie ein Handy? Dann können wir meinen Kollegen anrufen und der –«
    »Nein, bitte, sie hat Angst vor ihm. Sie kann nicht weit sein.« Tränen kullern über ihre Wangen, ihr Gesicht glänzt im Mondlicht. »Also gut«, sagt Hanna. Sie weiß ja, dass die Mutter verwirrt ist, und auch, wo sie hingelaufen ist. Richtung Park und Kirche. »Da entlang.« Sie gehen nebeneinanderher. »Mama ist in der Kirche«, sagt die Frau plötzlich und hält Hanna am Handgelenk fest. »Um diese Zeit?« Ihr Griff ist eisern, Hanna ist überrascht. »Mama ist so fromm, sie spielt gern Orgel und –« »Dann sehen Sie nach, ich warte hier«, sagt Hanna und denkt: Ich hole die Polizei. Da spürt sie das Messer. Die Frau zischt: »Du gehst in die Kirche«, und sticht sie in die Seite. Hanna schreit auf, Schmerz durchflutet sie. Sie stolpert durch die schwere Tür, innen ist es kühl. Die Frau schiebt sie die Treppe zur Empore hinauf, die Messerspitze bohrt sich in ihren Rücken. »Da rein«, befiehlt sie hinter der Orgel. Eine offene Tür. Dahinter Dunkelheit. »Das ist dein Grab und deine Ewigkeit in der Herrlichkeit Gottes.« Hanna zögert. Da hallen Rufe eines Mannes durch die Kirche: »Hallo? Ist da jemand?« – »Kein Wort«, zischt die Frau und stößt sie in die Kammer. Sie hat viel Kraft. Hanna fällt hart vornüber, dreht sich auf den Rücken. Sie sieht den Schatten, das Messer, sie weicht aus, ihre Seite brennt wie Feuer. Dann verschwindet der letzte Fetzen Licht, der von außen in die Kammer gesickert ist.
    Die Stimme endete. Ihr war warm, sie war satt und empfand weder Durst noch Schmerz. Vorbei. Es war gar nicht der Taxifahrer gewesen. Es war diese Frau. Hanna wollte lachen, sie hatte alles durcheinandergebracht. Die Frau hatte sie in den Himmel geschickt. Aber in die falsche Abteilung. Blöde Kuh. Jetzt würde sie in alle Ewigkeit diesen Kitsch ertragen müssen. Doch es erklang kein

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