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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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sagen, Moritz.« Ihr »u« klang immer ein wenig wie ein »ü«, und er hörte sie in Gedanken »Lausbüb« sagen. Wie früher.
    »Ja, Mum. Ich melde mich.«
    Wie hatte er bloß das Konzert vergessen können und seinem Vater abzusagen! Und weshalb war er so schlecht gelaunt? Lag es am mangelnden Ermittlungserfolg? An den tropischen Temperaturen, die selbst einem Kamel den letzten Tropfen Wasser aus Hirn und Höcker brennen mussten? Oder war es die Nacht, die er mit dem Retuschieren von Fotos auf seiner kleinen Galerie verbracht hatte? Er hätte sich dafür in den Hintern treten mögen. Hanna Brock hatte ihn abblitzen lassen. Na und? Es gab genügend andere Frauen. Judith Maiwald, zum Beispiel. Die wollte er schon lang wieder einmal auf einen Drink einladen. Oder es versuchen. Stattdessen hatte er sich Hannas Bluse und die widerspenstige Haarsträhne vorgestellt, die ihr bereits während der Lesung ins Gesicht gefallen war. Von dem phantasiert, was unter der Bluse war. Hatte darüber nachgedacht, wie sie nun viele Wochen in der Umgebung umherstreifte, und darüber, dass ihr Recherchegebiet genau dort lag, wo Peter gestorben war.
    »Kommissar.« Idris’ Stimme holte ihn zu dem Klappern von Geschirr und dem süßlichen Duft von Honig zurück. Vor ihm standen zwei Baklavas und ein frischer Cappuccino. »Warum ärgerst du dich darüber, dass Rosen Dornen haben, Kommissar? Freue dich doch lieber daran, dass der Dornenstrauch Rosenblüten trägt.«

[home]
16
    E r gab ihr zwei Zehn-Euro-Scheine. Für den Bruchteil einer Sekunde klebten sie an seiner feuchten Handfläche fest, doch sie schien nichts zu bemerken, murmelte wie immer ein kurzes »Danke« und schob das Geld hastig in die Tasche ihres hellblauen Putzkittels.
    Verfluchte Heilige! Verfluchte Hure!, dachte er. Du spürst es doch auch! Unsere heimliche Verbundenheit. Das Begehren. Doch du bist angespannt heute. Hast du Angst? Er steckte die Geldbörse ein und lächelte sie an. »Bitte, gern. Sie sind wirklich eine Perle.«
    »Ja.« Sie stopfte Lappen, Gummihandschuhe und verschiedene Plastikflaschen in eine Tasche und huschte mit ihren kleinen, federnden Schritten hinaus in die Diele.
    »Danke, dass Sie auch am Samstagabend Zeit für mich haben. Schönen Abend.« Kaum hatte er die Wohnungstür hinter ihr geschlossen, lehnte er sich von innen dagegen, jede Faser seiner Muskeln angespannt und sein Atem schnell und schwer.
    Am Anfang, als er Miriam zum ersten Mal hier gesehen hatte, vor diesem gelben Haus, war er beinahe stehen geblieben, abrupt, doch er hatte sich gezwungen, gelassen weiterzugehen. Nur sein Lid hatte zu zucken begonnen. Sie war an diesem stürmischen Frühjahrsabend an ihm vorübergeeilt, leichtfüßig, den Kopf gesenkt, hatte vor sich hin gesummt. Dann war sie hinter einer Tür verschwunden.
So nah!
Zunächst hatte er nicht gewusst, was es war, das ihn wie paralysiert zurückgelassen hatte. Doch in den letzten Wochen hatte er verstanden, was passiert war. Den Zusammenhang hatte er noch nicht begriffen.
    Als er nach dieser Begegnung in die Wohnung gehastet war, hatte er sich vorgestellt, wie sie nackt vor ihm stand. Alabasterhaut im fahlen Licht der Straßenlaternen. Kleine, feste Brüste. Seine Hand, die sich ihr nähert. Sein Blick war zu dem silbernen Koffer unter dem Esstisch gewandert. Einen Wimpernschlag lang hatte er sich vor sich selbst geekelt. Dann hatte er sich wieder im Griff gehabt.
    Rasch löste er sich jetzt von der Wohnungstür, lief durch die Diele ins Wohnzimmer und starrte aus dem Fenster. Miriam ging eben an der Wäscheleine vorbei zum Haus. In dem Moment sah er die Gestalt. Sie stand hinter der Thujahecke, watschelte dann ein paar Schritte die Straße entlang. Hochgradig adipös. Pures Fett! Nun zögerte sie, blieb stehen. In die Praxis wollte sie am Wochenende sicher nicht. Seine Hände krallten sich durch die Hose hindurch in seine Oberschenkel. Miriam verschwand im Haus. Die Fette ging weiter. Er verzog den Mund.
    »Geh in dein Hochhaus«, flüsterte er. »Geh in deinen Bunker. Und warte dort.«
    Er zündete sich eine Zigarette an. In kleinen Kringeln kroch der Rauch unter die Zimmerdecke. »Der Tod zieht seine Kreise«, flüsterte er.
    Noch eine Stunde. Sonnenuntergang um 20:58 Uhr. Tief sog er den Rauch in seine Lungen. Sechzig Minuten bis zur Stunde des Jägers. Die Schuhe mit den Gummisohlen standen neben der Wohnungstür. Draisstraße. Egonstraße. Fehrenbachallee. Über die große Kreuzung. Um die Hochhäuser. Zurück.

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