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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Toten erwartet, ein Nachbohren, wer die Nachbarin war, ein enthusiastisches »Die kriegen wir!«. Stattdessen dieser schlichte persönliche Satz. Hier, in diesem fremden, verbotenen Zimmer, in der Enge der Nacht, klang es wie ein Antrag, ihre Bekanntschaft auf eine intime Ebene zu stellen. Distanz aufzugeben. Er war nicht sicher, ob er das wollte. War sich nicht im Klaren darüber, was er von Hanna erwartete. Ihm gefiel, wie sie dastand, wie die Silhouette ihrer Brüste sanft in nicht zu schmale Hüften und von da in die Rundungen des Pos überging. Ihm gefielen ihr forsches Wesen und ihr Lebensmut.
    »Da drüben ist was«, unterbrach sie seine Gedanken und huschte neben das Fenster. »Da, sehen Sie mal!«
    Er trat schräg hinter sie und blickte über ihre Schulter. Baumwipfel, auch sie in das Licht der Straßenlaternen getaucht. Parkende Autos, etwas entfernt das silberne Dach seines Dienstwagens. Mülltonnen. Ein Sandkasten, die Wäscheleine.
    »Nicht bewegen«, sagte sie. »Sonst fallen wir auf.«
    »Ich sehe nichts.« Nur deinen zierlichen Nacken, dachte er, und deine hochgesteckten Haare, in die ich vor vielen Monaten einmal meine Nase gesteckt habe.
    »Jetzt ist es weg.« Sie klang enttäuscht.
    »Was denn, bitte?« Schnell trat er einen Schritt zurück.
    »Ein Lichtreflex hinter dem Fenster. Bewegungen. Direkt gegenüber. Wie ein … ein Fernrohr.«
    Ehrlinspiel begann zu lachen.
    »Sie glauben mir nicht.« Sie stemmte die Hände in die Hüften.
    »Nein.«
    »Aber es war da! In dieser Villa. Zweites Fenster von links.«
    »Wir sind hier nicht in einem Hitchcockfilm, Frau Brock. Sind Sie sicher, dass Ihre Phantasie nicht … ein wenig überreizt ist?«
    »Na ja.« Sie zögerte. »Ich bin etwas überdreht zurzeit. Aber auf jeden Fall hat da etwas gespiegelt. Etwas Rundes.«
    Er musste grinsen, aber vermutlich sah sie es nicht. Er war froh darüber. Trotzdem warf er noch einen Blick hinüber. Nur zur Sicherheit, sagte er sich. Spanner gab es schließlich überall. Doch das Fenster war dunkel, nichts bewegte sich oder reflektierte. »Lassen Sie uns hier verschwinden.«
    »Aber wenn doch …«
    Auch das gefiel ihm. Ihre verrückten Ideen und ihre unglaubliche Vorstellungskraft. »Ich bin der Moritz«, sagte er.

[home]
24
    Montag, 9. August, 8:15 Uhr
    N ebenan warteten bereits drei Patienten. Doktor Wittke war noch nicht da. Über dem Tresen lehnte ein hagerer Mann und maulte sie an, weil sie ihn ohne Versichertenkarte nicht ins Wartezimmer lassen wollte, und die Laufmasche, die sich wie eine Raupe aus ihrem Schuh schob, war inzwischen über ihre mächtigen Waden bis unter den Rock gekrochen.
    Der Tag begann so grauenhaft, wie die Nacht geendet hatte. Sie begriff nichts mehr. Sie musste mit jemandem reden. Jetzt. Mit Thea Roth. Sie war die Einzige, die ihr zuhören würde.
    Gabriele Hofmann sah auf ihre Armbanduhr. Das Band schnitt tief in das Fleisch ihres Unterarmes. Viertel nach acht. Weder Hilde Wimmer noch Frau Roth waren bisher erschienen. Ihr Magen war wie eine Jauchegrube, in der jemand rührte, und jemand anders schien ihr alle paar Sekunden gegen den Hinterkopf zu schlagen.
    Vor zwei Tagen hatte sie Hoffnung geschöpft. Die Weinflasche in der Hand, stand sie im Wohnzimmer und sah auf die Straße. Jeden Abend war er dort gewesen. Elf Stockwerke unter ihrem Bunker. Jeden Abend, seit sie vor zwei Wochen die Bewegung hinter den Müllcontainern entdeckt hatte. Er war keine Täuschung gewesen und nicht die Auswirkung des Weins. Am Samstag aber tauchte er nicht auf. Ihre Augen hafteten auf dem Pfad, der sich über den perfekt getrimmten Rasen von der Straße auf das Hochhaus zuschlängelte und neben den Müllcontainern am Eingang zur Tiefgarage endete. Nur ein paar Jugendliche torkelten vorbei. Du bist ihn los, sagte sie sich gegen zwei Uhr morgens und zerrte erleichtert den Weinkarton zwischen den Schränken hervor. Eine Belohnung. Ja. Das war gut. Ein Glas. Zur Feier ihres neuen Lebens. Der Typ hatte nichts von ihr gewollt. Ein Zufall. Ein Spinner.
    Am Sonntag erwachte sie erst gegen Mittag, neben sich drei leere Flaschen und ein umgefallenes Glas, in dem sich die wenigen Sonnenstrahlen brachen, die ihren Weg durch den dicken Vorhang fanden. Der Teppich stank nach Alkohol. Vermutlich hatte sie eine schwache Alkoholvergiftung. Sie wuchtete sich aus dem Sofa, schleppte sich mit verklebten Augen zum Kühlschrank und aß im Stehen eine Packung Wurstaufschnitt ohne Brot. Du bist ihn los, hatte sie sich wieder

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