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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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speckigen Hemdknöpfe nicht um die Ohren fliegen würden.
    Er setzte sich auf seinen Drehstuhl und wandte sich zu Frau Roth. Sie hatte ihren Platz am schmalen Ende des großen Tischovals eingenommen, an dem auch die Kommissare einander gegenübersaßen.
    Freitag beugte sich zwischen Tastatur, sauber gestapelten Aktenmappen und Familienfotos nach vorn. Seine Augen waren zu skeptisch blickenden Schlitzen zusammengezogen, die mit den Bügelfalten seines hellblauen Hemds zu wetteifern schienen.
    Befragungen führten sie meist in ihren Büros durch. Ehrlinspiel mochte das Vernehmungszimmer nicht. Es war klein, hatte kahle Wände und war nicht das, was ihm wichtig war: ein Raum zum Wohlfühlen, in dem er Beziehungsarbeit leisten konnte. Denn nichts anderes waren solche Gespräche. Jetzt war es still wie im Theater.
    Alle Augen waren auf ihn gerichtet, jeder wartete auf das erste Wort. Seinen Text kannte er so gut wie Idris die Welt arabischer Weisheiten.
    »Sie sind als Zeugin hier, Frau Roth. Sie wissen, warum.«
    Sie nickte. Duftete nach Kenzo Amour. Trotz des hochsommerlichen Wetters trug sie ein Halstuch. Ihre Hände lagen locker um die Griffe einer Handtasche, die sie auf dem Schoß hielt und die eindeutig aus Krokodilleder war.
    Ehrlinspiel schluckte beim Blick auf das glänzende, fein strukturierte Material. Bauchhaut junger Tiere, der Rest des Krokos landete komplett auf dem Müll. Aber das gehörte nicht hierher. »Sie können die Auskunft auf Fragen verweigern, die Sie selbst oder einen Angehörigen in die Gefahr bringen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.« Paragraf 55 Strafprozessordnung. Belehrungspflicht.
    Frau Roth sah ihn an. Sie wirkte entspannt.
    Nun kam die Kür: die zwischenmenschliche Ebene ausloten, glaubhafte Aussagen erhalten. »Es gibt Hinweise, dass Sie in der Wohnung Ihrer verstorbenen Nachbarin waren.« Vier Sekunden Kunstpause. »Kurz vor ihrem Tod.«
    Freitag blickte mit hochgezogenen Augenbrauen zu Ehrlinspiel.
    Wie er Freitag erklären sollte, wie er zu dem Hinweis gekommen war, würde Ehrlinspiel sich später überlegen. Hanna.
Kenzo.
Der kleine Ausflug. Er hatte dem Kollegen lediglich mitgeteilt, dass er Thea Roth zur Befragung abholen würde. Freitag hatte die Hände in die Taschen seiner Bundfaltenhose geschoben und trocken erwidert: »Du wirst wissen, was du tust.«
    Keine Absprache, wie sie vorgehen würden. Kein Plan, wer welchen Befragungspart übernahm. Ob einer den Freundlichen, der andere den Strengen geben sollte. Dabei profitierten sie oft von ihrem hervorragenden Zusammenspiel. Beide waren gute Vernehmer. Beherrschten eine durchdachte Fragetechnik und besaßen ein feines Gespür für ihr Gegenüber. Das war nicht selbstverständlich. Denn seit der schrittweisen Polizeireform Mitte der neunziger Jahre wurden Beamte nicht mehr für spezielle Aufgaben ausgebildet. Jeder musste jetzt alles können. Spezialkompetenzen erwarb man in Kursen.
    Ehrlinspiel hielt das für unzureichend. Niemand lernte in vier Wochen psychologisches Geschick, rhetorische Taktik und wie man abgebrühten oder verängstigten Typen Informationen entlockte. Noch heute war er dankbar, dass sein Bärenführer – so nannten sie erfahrene Mentoren, die mit Leben und Job tief vertraut waren und die Jüngeren in die harte Praxis einführten – ihm beigebracht hatte, wie man gezielt Beziehungen aufbaute und festigte. Phase eins dieser Strategie: das Gegenüber kennenlernen und herausfinden, welche Werte ihm wichtig waren. Treue, Verantwortung, Ehrgefühl etwa.
    Thea Roths Blick ging stumm von Ehrlinspiel zu der Box auf seinem Schreibtisch.
    »Also: Waren Sie in Hilde Wimmers Wohnung?«
    Keine Antwort.
    »Mögen Sie Tiere? Ich sammle in diesem Kästchen Rezepte für meine Kater.« Er fuhr mit dem Finger über die Perlen auf dem Deckel. »Es sind Brüder. Sie heißen Bentley und Bugatti.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    Ein markerschütterndes Quietschen ließ Ehrlinspiel zusammenzucken. Franz war vom Tisch zurückgerutscht, und die Stuhlbeine hatten Streifen auf dem blauen Linoleum hinterlassen. Mit dem linken Zeigefinger bohrte er im Ohr. »Gourmetbox.«
    »So steht es da«, sagte Ehrlinspiel ruhig und hätte Franz am liebsten mit einem riesigen Stück Leber aus seinem Katzenfuttervorrat das Maul gestopft.
    »Ich weiß nicht«, sagte Thea Roth. »Ich habe nichts gegen Tiere.«
    Er warf einen Seitenblick auf die Krokotasche. »Aber Sie mögen

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