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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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gefreut.
    Miriam atmete schnell, schien den Kirchenraum stoßweise mit Angst aufzupumpen. »Mama!«
    »Sie wollten zwischen zwei Putzaufträgen nach ihr sehen. Aber sie war nicht zu Hause. Habe ich das richtig verstanden?« Er blickte auf ihre Hose, deren Knie ausgebeult und fleckig waren. Der Saum ihres T-Shirts franste aus, und an einer Schulter schimmerte ihre blasse Haut durch ein Loch in der Naht. Müller kannte sein Schäfchen nur in Röcken oder Kleidern, gepflegt und sauber.
    »Wenn es sie auch erwischt hat? Wenn sie –«
    »Sie ist klug. Sie ist erwachsen. Sie muss nicht den ganzen Tag allein zu Hause bleiben. Das haben wir doch schon so oft besprochen, Miriam.« Er nahm ihre Hand fest in seine, wollte ihr Vertrauen zurückgeben – doch seit gestern war er von seinen Worten selbst nicht mehr überzeugt. Miriam war zum ersten Mal allein zum Gottesdienst erschienen und hatte ihm in hektischen Worten vom Tod Hilde Wimmers erzählt. Dass die Polizei noch in der Nacht geklingelt und die Mutter geweckt hatte. Wie sie Thea im Morgengrauen im Waschkeller gefunden hatte, verwirrt, mit der Wäsche der Toten. Dass Theas Kräfte es nicht zugelassen hatten, in den Gottesdienst zu gehen, weil sie keinen Schlaf mehr gefunden hatte. »Und Sie lassen sie jetzt allein?«, hatte er verwundert gefragt. »Ich habe ihr ein Schlafmittel gegeben. Sie hat ganz ruhig in ihrem Bett gelegen und mich noch aufgefordert, dass ich für sie mitsinge und Sie bitten soll, für Frau Wimmer zu beten.« – »Sie ist so stark.« Seine Bewunderung war ehrlich gewesen. »Wir werden sie stützen, wo immer wir können, und am Wochenende wird sie beim Sommerfest inmitten lauter fröhlicher Leute sein.«
Stark sein für den Nächsten – den Nächsten stark machen.
»Sie sind ein guter Mensch, Herr Pfarrer.« Mit diesen Worten war Miriam aus der Kirche geeilt, und er überlegte, ob er je mit ihr zusammengetroffen war, ohne diesen Satz von ihr gehört zu haben.
    »Mama hat versprochen, zu Hause zu bleiben, als ich heute früh gegangen bin. Und jetzt –«
    »Sie ist sicher nur spazieren oder in ein Café gegangen.«
    »Nein, das ist sie nicht!« Ihre Stimme wurde schrill. »Es ging ihr nicht gut, und ich habe vor der Haustür eine Mitarbeiterin der Arztpraxis getroffen. Sie sagte, sie hätte mit Mama telefoniert, und es sei vereinbart gewesen, dass sie ihr ein Medikament bringt.«
    »Bestimmt hat sie es nur vergessen.« Was rede ich da, dachte er. Ich glaube es ja selbst nicht.
    »Mama muss es … schrecklich gegangen sein. Sie verweigert doch jeden Arztbesuch! Sie hätte sonst nie zugelassen –«
    »Liebe Miriam!« Er strich ihr über den Unterarm, doch sie reagierte nicht.
    »Da draußen gehen schreckliche Dinge vor, ich weiß es!« Wieder griff sie nach seinem Arm, wiederholte leise: »Ich weiß es. Und fast glaube ich … dass … dass Mama darin verstrickt ist.«
    »Aber nein!« Er bemühte sich um einen ruhigen Ton, obwohl ihm manchmal danach zumute war, sie einfach anzuschreien. Miriams endloses Leiden an der Welt, ihre Sorge, von der sie sich beherrschen ließ und die sie für jeden Rat unzugänglich machte, das Fehlen jeglichen Selbstvertrauens, provozierte ihn in schwachen Momenten. Dann hasste er seinen Beruf. Berufung hin oder her. Am liebsten hätte er sie jetzt aus der Kirche gezerrt, ihr gesagt, sie solle sich einen Psychiater suchen oder wenigstens einen vernünftigen Mann, der sie auffing, hätte sich selbst an Michaelas gedeckten Tisch mit dem Blumenstrauß gesetzt, sie geküsst und angelächelt, und alles wäre wie früher. Keine Irritationen. Es wäre eine Erleichterung für alle. »Kommen Sie«, sagte er stattdessen, »lassen Sie uns zu der Orgel gehen.« Musik würde sie beruhigen.
    Er nahm das Notizbuch vom Altar, und sie stiegen die Wendeltreppe zu der Empore hinauf. Er klappte die Orgelbank auf und legte das Buch hinein. Miriam blickte darauf. »Ich habe Sie gestört. Sie waren am Schreiben, als ich hereingestürmt bin. Tut mir leid.« Ihre Gesichtszüge wurden weicher, doch ihre Augen glänzten kühl.
    »Vor dem Sommerfest gibt es noch viel zu erledigen.« Er schloss die Tür zu der angrenzenden Kammer, in der sich ausrangierte Gesangbücher, Aufzeichnungen, liturgische Gewänder, Lichterketten und Dekorationskram stauten und wo er auf der Suche nach den restlichen Luftballons vom letzten Sommerfest ein wahres Tohuwabohu angerichtet hatte. Es war ein Chaos, das er genau dreimal im Jahr betrat: kurz vor dem

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