Mein wirst du sein
doch ein bisschen zu viel des Guten.
»Begrüßen Sie mit einem herzlichen Applaus ein Duett zu ›They call me the wild rose‹ von Kylie Minogue und Nick Cave.«
Cosima waren die Gesichtszüge entglitten, und als ich den Mund schloss, meinte ich, in einen Spiegel zu gucken.
Lou kam auf mich zu und drückte mir ein Mikrofon in die Hand.
»Bist du bescheuert?«
»Mach nur, das wird großartig!« Er hetzte an mir vorbei in den Gastraum, wo Andreas an einem Tisch saß, Flocki zu seinen Füßen. Er hatte auch schon intelligenter ausgesehen. Verdattert wie ich hielt er nun das Mikrofon in Händen und sah mich unschlüssig an.
Langsam drehte ich mich wieder um. Cosima stand noch immer neben der Bühne. Ihr Gesicht war verzerrt, sie blickte mich böse an. Ich wartete fast darauf, dass sie Rauch spuckend auf einem Besen davonreiten würde.
Diese Vorstellung war interessant. Und immerhin hatte sie mir einen Auftritt abgeluchst. Zeit für meine Rache. Warum also nicht?
Ehe der Mut mich wieder verlassen konnte, ging ich in den Gastraum hinunter an Andreas Tisch und reichte ihm die Hand. Er sah mich an, als habe ich nicht mehr alle Tassen im Schrank, doch ich zog ihn unbeirrt vom Stuhl hoch und hinter mir her auf die Bühne.
Die ersten Klänge der Musik erfüllten den Raum, und ich begann mit einer solchen Einfühlsamkeit zu singen, dass Andreas nicht anders konnte, als mit seiner kraftvollen Stimme einzusetzen.
Im diesem Moment wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war. Die Blicke, die er mir zuwarf, machten mir Angst. Dunkel und volltönend sang er davon, wie er sie am ersten Tag getroffen und wie sie ausgesehen hatte.
Ich musste mehrfach schlucken, um meinen Einsatz nicht zu verpassen, weil ich wusste, wie die Geschichte enden würde. Ich sah Cosima an, deren Gesicht Entsetzen und Ehrfurcht widerspiegelte. Dann hatte ich mich gefangen.
»When he knocked on my door and entered the room, my trembling subsided in his sure embrace.« Ich ging auf Andreas zu, der meine Hand nahm und mir unverwandt in die Augen sah. »He would be my first man, and with a careful hand, he wiped at the tears that ran down my face.«
Keinen Augenblick länger konnte ich ihn ansehen. Als er zu singen begann, schlug ich die Augen nieder. Meine Hand hielt er noch immer, und der Händedruck ließ keine Zweifel daran, dass er nicht die Absicht hatte, in absehbarer Zeit wieder loszulassen.
»On the second day I brought her a flower, she was more beautiful than any woman I’d seen.« In seinen Augen meinte ich lesen zu können, dass er die Wahrheit sang. Oder gehörte das zum Spiel? Beides verursachte mir Unbehagen. »I said, ›Do you know where the wild roses grow, so sweet and scarlet and free?‹«
Wenn er wollte, das konnte ich auch. Ich hob den Blick, sah ihn aus großen Augen an und begann sanft zu singen: »On the second day he came with a single red rose. Said: ›Will you give me your loss and your sorrow?‹ I nodded my head, as I lay on the bed. He said, ›if I show you the roses will you follow?‹«
Es war, als hätten wir uns aufeinander eingesungen. Der Rest lief wie von selbst, und ich glaube, wir boten ein großartiges Schauspiel, bis die Sängerin tot war. Andreas hielt meine Hand, ich hatte die Augen geschlossen. Als wir geendet hatten, war es kurz still, dann brandete Applaus auf, der nicht mehr enden wollte.
Wir hielten uns an den Händen, verbeugten uns ein ums andere Mal, doch wieder mied ich Andreas’ Blick. Ich wusste nicht, wie er das machte, aber wenn er mich ansah, bekam ich eine Gänsehaut, und ich wusste nie, ob aus Angst oder vor prickelnder Erotik. Fest stand nur, dass es mehr war, als ich heute ertragen konnte.
»Liebes Publikum, habe ich Ihnen zu viel versprochen?« Lou war auf die Bühne gestürmt und strahlte wie ein kleines Kind beim Anblick von Schokolade. Er herzte mich, küsste mich auf die Wange und klopfte Andreas auf die Schulter. Es war peinlich, und ich wollte nur noch weg.
Als er mich schließlich freigab, floh ich seitlich die Bühne hinunter, an Cosima vorbei, die mich böse anfunkelte.
»Das wirst du mir büßen! Für die Info hattest du mir den nächsten Auftritt versprochen, und dann hintergehst du mich so!«
»Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen, keine Angst«, zischte ich zurück. »Das war eine Schnapsidee von Lou. Und du kannst sicher sein, dass das nicht mehr vorkommen wird.«
Ohne ein weiteres Wort ließ ich sie stehen, ging an Fanny vorbei hinaus auf den Parkplatz. Als
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