Mein wirst du sein
ich im Auto saß, atmete ich erst einmal tief durch und versuchte, meine zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen.
Es dauerte, bis ich mich so weit im Griff hatte, dass ich mir das Autofahren zutraute. Da trat eine Gestalt aus dem ›Jazz-Keller‹ ins Licht der Laterne, die davor stand. Es war Erich. Er zündete sich eine Zigarette an und ging zu seinem Wagen, einem alten Audi 100.
Ich zuckte mit den Achseln. Was soll’s, darauf kam es heute auch nicht mehr an. Ich wartete mit laufendem Motor und setzte mich dann in gebührendem Abstand hinter ihn.
Was das bringen sollte, wusste ich im Moment auch nicht. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass er auf dem Weg zu einer einsamen Frau war, um sie abzumurksen. Einige Zeit später wusste ich zumindest, dass er in Wiblingen am Tannenplatz zu Hause war und ein kleines Reiheneckhaus bewohnte.
Ich lungerte ein bisschen vor seiner Tür herum und stieg schließlich aus, um festzustellen, dass er mit Nachnamen Weber hieß.
Als die Lichter im ersten Stock ausgingen, wusste ich endgültig, dass er zu Bett gegangen war und ich heute nichts mehr in Erfahrung bringen würde. Alles war still, und ich war hundemüde.
Es war nach zwölf, als ich zu Hause war und das überlaute Läuten des Telefons in meiner leeren Wohnung mich begrüßte. Wer rief jetzt noch an? Die Rufnummer wurde nicht angezeigt.
Ich nahm den Hörer ab, doch als ich mich meldete, wurde aufgelegt.
Mittwoch
Als der Wecker um halb acht klingelte, fühlte ich mich ausgeschlafen und voller Tatendrang. Keine Frage, ich hatte den größten Fall meines Lebens und den unbedingten Ehrgeiz, ihn zu lösen. Es war nicht mehr nur ein Freundschaftsdienst für Lou. Längst nicht mehr. Kein Mord sollte jemals ungesühnt bleiben, und ich würde nicht eher ruhen, bis der Mörder von Susanne gefunden war. Stellvertretend für alle Hinterbliebenen ungelöster Mordfälle. Mich eingeschlossen.
Und ein kleines Taschengeld sprang für mich auch noch heraus. Ich hätte es Lou zuliebe auch umsonst getan. Aber mein schlechtes Gewissen, das angebotene Geld anzunehmen, hielt sich in Grenzen.
Ich duschte und räumte anschließend die Küche auf, während der Kaffee durch die Maschine gurgelte und die Sonne zum Fenster herein strahlte. Köstlicher Duft erfüllte den kleinen Raum, und ich konnte es kaum erwarten, mir eine Tasse einzuschenken.
Ich versuchte, nicht an den gestrigen Abend zu denken. Weder an das Wiedersehen mit Mark noch an das Duett mit Andreas. Es gelang mir mehr schlecht als recht, denn beides hatte mich verunsichert. Jedes auf eine andere Weise.
Mit dem Kaffee, einer Schüssel Cornflakes mit Milch und den Unterlagen zum Mordfall Susanne Dauber setzte ich mich an den Küchentisch und begann zu arbeiten. Zunächst ergänzte ich die Blätter mit meinen Verdächtigen, dann legte ich zwei neue an. Von Stefan Dauber und Erich Weber.
Für heute hatte ich mir vorgenommen, mich mit Dr. Schönborn und Tobias Goldmann zu treffen.
Gerade wollte ich die erste Nummer wählen, als es klingelte. Augenblicklich nahm ich ab.
»Hier ist Jens Krüger. Der Journalist von gestern.«
Ich brauchte einen Moment, ehe ich mich erinnerte. Das dunkle Timbre der Stimme kam mir bekannt vor. Dann fiel der Groschen.
»Bei mir findet die Pressekonferenz aber nicht statt.«
»Ich rufe auch nicht an, weil ich Informationen von Ihnen haben möchte, die Sie zweifellos haben, sonst wären Sie gestern nicht so nah am Fundort der Leiche gewesen. Die Polizei hat nämlich niemanden durchgelassen.«
Ich antwortete nicht und nahm einen leisen Seufzer aus der Leitung wahr. »Funktioniert wohl nicht.«
Eine Pause entstand, ich schwieg.
»Okay, lassen wir das. War nur ein Versuch. Die Pressekonferenz findet später statt. Da werde ich dann wohl mehr erfahren, und so lang kann ich mich gerade noch gedulden.«
»Dann muss ich also nicht Händchen halten, weil die Spannung unerträglich wird?« Ich klang spöttischer als ich beabsichtigt hatte. Aber Krüger lachte nur.
»Das schaffe ich gerade noch.«
»Was kann ich dann für Sie tun?«
»Ich möchte Sie gern auf einen Kaffee oder so etwas einladen.«
Einen Moment herrschte Schweigen, während ich versuchte, mich von meiner Überraschung zu erholen. Wann hatte mich zum letzten Mal ein Mann angerufen und um ein Date gebeten? Erst gestern hatte ich Männerbesuch zum Abendessen gehabt, und heute rief der nächste an und wollte mit mir Kaffee trinken gehen. Was war auf einmal passiert?
»Oder so was?«,
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