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Mein wirst du sein

Mein wirst du sein

Titel: Mein wirst du sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rodeit
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Seine Wut, als sie ihn von sich gewiesen hatte, und die Beherrschung, die es ihn gekostet hatte, sie dafür nicht zu schlagen. Doch es wollte ihm nicht recht gelingen.
    Schließlich gab er auf. Er wusste jetzt, was er zu tun hatte. Etwas anderes wartete auf ihn, sollte ihm geschenkt werden, und Geschenke durfte man nicht zurückweisen. Sie würde seine Belohnung für all die Mühen der vergangenen Jahre sein. Endlich bekam alles einen Sinn.

Samstag
    Der Schlaf war kein erholsamer. Beim geringsten Geräusch schreckte ich hoch, und am nächsten Morgen wachte ich wie gerädert auf.
    Es hatte keinen Sinn, weitere Zeit im Bett zu verbringen, an Schlaf war nicht mehr zu denken.
    Ich kochte Kaffee und machte mich daran, das Chaos in meiner Wohnung zu beseitigen. Meine Unterwäsche aus der mehrfach durchwühlten Schublade steckte ich angeekelt in die Waschmaschine und schüttete eine doppelte Dosis Waschpulver dazu.
    Den halben Vormittag verbrachte ich damit, in meiner Wohnung die alte Ordnung wieder herzustellen. Mit dem Vorsatz, nicht an den gestrigen Einbruch zu denken. Es blieb bei dem Versuch. Die Frage, wer das getan haben mochte, und ob es vielleicht der Mörder gewesen war, nagte unablässig an mir.
    Unterbrochen wurde ich um halb zehn, als es an der Tür klingelte. An der Wohnungstür. Ich kämpfte lang mit mir, ob ich öffnen sollte, und schalt mich schließlich eine dumme Gans. Wer sollte mir um die Uhrzeit an die Wäsche wollen? Es war lächerlich. Ein kleiner Vorfall, und ich begann den Verstand zu verlieren.
    Ich öffnete und atmete auf. Vor der Tür stand Leon, in der Hand eine zugeknotete Plastiktüte.
    »Darf ich reinkommen?« Er sah mich nicht an, und ich konnte ihn kaum verstehen.
    »Klar.« Ich war unsäglich erleichtert.
    Doch was sollte ich mit dem kleinen Kerl jetzt anfangen?
    Er sah sich neugierig in meiner Wohnung um und betrachtete das Chaos. »Ist bei dir eingebrochen worden?«
    »Äh, so ähnlich.«
    Er nickte. »Okay.«
    Ich räumte den Küchentisch ab und deutete auf einen Stuhl.
    »Willst du dich nicht setzen?«
    Er rutschte auf den alten Holzstuhl, und ich hatte den Eindruck, dass er das nicht gern tat. Warum hatte er dann geklingelt?
    »Möchtest du etwas trinken?«, fragte ich, um das Eis zu brechen. Was sollte ich ihm anbieten? Hatte ich Apfelsaft? Zwar lag Bier im Kühlschrank, aber das war wohl nicht das geeignete Getränk für einen kleinen Jungen.
    Doch er schüttelte den Kopf. Zu meinem Glück.
    Irgendwo musste noch eine Schachtel mit Schaumküssen herumstehen, ich hatte sie vorhin erst gesehen. Die hatte mein Bruder bei einem seiner seltenen Besuche mitgebracht, und ich mochte sie nicht.
    Ich fand den Karton unter dem Altpapier. Das Mindesthaltbarkeitsdatum lief erst in einem Monat ab. Vergiften würde ich ihn also nicht. Ich stellte die klebrigen Dinger auf den Tisch. Ein Glas dazu und eine Flasche Mineralwasser, weil ich keinen Saft hatte.
    »Danke, aber das mag ich nicht. Von Mineralwasser bekomme ich Sodbrennen. Ich trinke nur stilles Wasser.«
    Sodbrennen? In dem Alter? Sodbrennen hatten schwangere Frauen. Oder alte Männer. Doch er hatte das mit einem solchen Ernst hervorgebracht, dass ich nicht auf die Idee kam, daran zu zweifeln. Also füllte ich sein Glas mit Leitungswasser.
    Ich setzte mich zu ihm und versuchte, mich gegen das Kommende zu wappnen. Es misslang.
    Er stellte die mitgebrachte Tüte schwungvoll auf den Tisch. Es klimperte. Dann sah er mich an, und sein Gesicht drückte eine Ernsthaftigkeit aus, die ich einem so kleinen Kind nicht zugetraut hatte.
    »Das sind 13 Euro und 92 Cent.« Das Sprechen kostete ihn sichtlich Überwindung. »Und mehr habe ich nicht. Aber ich brauche deine Hilfe.«
    Na, das war aber jetzt eine Hausnummer.
    »Äh, okay. Was soll ich denn für dich tun?«
    »Ich habe Probleme in der Schule.«
    Oh Gott, wer hatte die nicht? Ich erinnerte mich an meine eigene Schulzeit und schüttelte mich.
    »Hast du Stress mit einem Lehrer?«
    »Einem Lehrer? Ach was. Es sind die anderen Jungs, die mir Schwierigkeiten machen.« Seine Stimme war leise geworden, er sah auf den Tisch.
    Ich schwieg, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Dann sah ich Tränen auf die hölzerne Tischplatte tropfen, langsam aber stetig.
    Was dann geschah, konnte ich nicht erklären. Vermutlich hing es mit dem Einbruch in der letzten Nacht zusammen, der mich emotional aus der Bahn geworfen hatte. Vielleicht erinnerte ich mich auch an meine eigene Schulzeit. Vielleicht lag es an

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