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Mein wirst du sein

Mein wirst du sein

Titel: Mein wirst du sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rodeit
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binden«, giftete ich zurück. Ich hätte zu meiner Freundin Conny gehen können. Da die aber einen Mann, zwei Kinder und einen Beruf hatte, war sie sicher nicht erpicht auf nächtlichen Besuch einer Freundin, die von einem verrückten Serienmörder verfolgt wurde. Und Fanny wollte ich nicht mit in die Sache hineinziehen. Über meine Mutter dachte ich keine Sekunde nach. Na ja, doch. Vielleicht eine. Um festzustellen, dass sie keine Alternative war.
    »Du kannst zu mir kommen«, bot Mark an.
    »Sicher nicht!« Doch die Idee hatte etwas für sich. Ich hätte zumindest gesehen, wie er wohnte und ob er mit jemandem zusammenlebte. Das hätte ich aber nie zugegeben.
    »Du kannst richtig böse schauen.« Er lächelte. »Dann hast du gar keine Kulleraugen mehr. Schade, die mag ich.«
    Ich war restlos bedient für heute.
    Im Flur packten die Beamten ihre Sachen zusammen. Ein Uniformierter streckte den Kopf zur Küchentür herein.
    »Wir sind fertig.«
    »Ich möchte eine Kopie des Berichts und sämtlicher Ergebnisse«, ordnete Mark an und erhielt ein widerwilliges Nicken.
    Kurze Zeit später waren wir allein. Ich ging zum Kühlschrank und holte ein Bier heraus.
    »Kann ich auch eins haben?«
    Ich überlegte, ob ich ihn gleich oder erst später hinauswerfen sollte. Er bekam das Bier.
    »Du willst also wirklich hier bleiben?«
    »Ja. Ich habe nicht vor, klein beizugeben.« Ich nippte an meiner Flasche und wand mich unter seinem ernsten Blick.
    »Jule, das ist kein Spaß. Wir suchen einen gemeingefährlichen Irren.«
    »Wenn es wirklich einer ist.«
    »Ich meine es ernst. Willst du dich nicht aus den Ermittlungen zurückziehen und das den Profis überlassen?«
    »Fang nicht schon wieder damit an.«
    Mark hob beschwichtigend die Hand. »Wie du meinst«, sagte er und stand auf. »Schließ aber wenigstens gut ab.«
    Ich nickte und folgte ihm in den Flur.
    »Du bist ganz schön stur«, sagte er an der Tür und sah mich an, dass mir warm wurde. »Pass auf dich auf, Kullerchen«, sagte er und strich mir mit der Hand über die Wange. Dann drehte er sich um und ging.
    Ich stand mit offenem Mund an der Tür, die Hand an der Wange, über die noch kurz zuvor seine Finger gestrichen hatten. Sein Aftershave lag wie ein lauer Hauch in der Luft. Er umfing mich tröstlich, denn ich war allein und fröstelte.
    Als ich die Tür schloss und verriegelte, wurde ich mir der Stille bewusst, die in meiner Wohnung herrschte und die umso lauter erschien, als es noch kurz zuvor wie in einem Bienenhaus zugegangen war. Die Angst griff mit kalter Hand nach mir, und ich bereute bereits, dass ich Marks Angebot nicht angenommen hatte.
    Ich vergewisserte mich, ob alle Fenster geschlossen waren, und ging unter die Dusche. Sämtliche Türen in meiner Wohnung ließ ich offen, und das Licht brannte in jedem Zimmer. Das heiße Wasser sorgte zwar für körperliche Wärme, die klamme Kälte in mir vermochte es nicht zu verdrängen.
    Mit einem unguten Gefühl ging ich ins Bett und schlief sofort ein.
    Er hatte sie nicht küssen dürfen, sie hatte ihn weggestoßen. Es hatte sein müssen. Irgendwie. Es war wie ein Rausch gewesen, als er die Hände um ihren Hals gelegt und zugedrückt hatte.
    Und dann war etwas Neues passiert: Es war ein prickelndes Gefühl gewesen, als sie nach einem kurzen, sinnlosen Kampf ihren letzten Atemzug getan hatte. Als fokussiere sich alles auf das nahende Ende. Wie das Hinarbeiten auf den letzten Akt einer pompösen Wagner-Oper.
    Diesmal hatte er sich schnell von ihr lösen können. Es war ein Zeichen. Sie schien nur eine Zwischenstation zu sein. Hin zu etwas Größerem, Höherem. Noch konnte er es nicht deuten. Aber er ahnte etwas. Langsam nahm es Gestalt an. Fast schien es, als sei er den langen, mühsamen Weg in den vergangenen Jahren nur dafür entlang geschritten.
    Doch die Erkenntnis kam ihm erst jetzt. Er hatte geahnt, dass es noch etwas geben musste.
    Auch jetzt war es ihm noch nicht ganz klar. Aber es kam näher. Wie ein Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels. Es war wie eine Befreiung.
    Er musste sich zwingen, sich auf die Frau zu konzentrieren, die er in den Armen hielt. Vorsichtig ließ er sie ins Wasser gleiten. Sie hatte Respekt verdient. Doch es gelang ihm nicht, ihr die volle Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen.
    Schließlich drehte er sich um und ging. In Gedanken versuchte er, die Momente noch einmal an sich vorbeiziehen zu lassen. Wie er sich ihr genähert hatte. Ihr Geruch, das kurze, schwarze Haar und die Augen.

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