Mein wirst du sein
heldenhaft den Kopf.
»Ich glaube, das lassen wir offen, so heilt es schneller.«
»Gibt das eine Narbe?«
»Nein, dafür ist die Wunde nicht tief genug.«
Leon schien enttäuscht.
»Jetzt sag schon, was ist passiert?« Ich hatte mich Sebastian zugewandt und ihn aufgefordert, die Hose auszuziehen. Sein Knie sah übler aus als Leons Gesicht. Ich pulte kleine Steinchen heraus, und Sebastian zuckte mehr als einmal zusammen.
»Sie haben wieder auf mich gewartet. Und statt dass dein Bruder etwas unternommen hat, hatte er nur eine große Klappe. Imponiert hat das niemandem. Dann haben sie mich geschubst, und ich bin auf den Boden gefallen. Daher habe ich die Schramme. Dann sind sie mit Stöcken auf uns los. Ich bin davongerannt, und Sebastian hat’s am Schienbein erwischt. Also wollte er auch davon. Und als er über das Geländer springen wollte, ist er mit dem Fuß hängengeblieben und auf die Fresse gefallen.«
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
»Und jetzt lachen sie auch noch über uns. Das ist fast noch schlimmer als die Schläge. Babysitter haben sie ihn genannt. Und Waschlappen . Als ob ich ein Baby wäre! Was soll ich denn jetzt machen?«
»Sebastian, das ist jetzt nicht sein Ernst, oder? Bist du wirklich hingefallen?«
»Ja, verdammt. Und das war meine beste Hose.«
Ich sah das Stück zweifelnd an, verkniff mir aber weitere Kommentare, während ich sein Knie mit Desinfektionsmittel besprühte. Er zuckte wieder zusammen und machte empört »Aua«.
»Du bist das Baby von uns zwei«, empörte sich Leon und sah meinen Bruder böse an. »Noch nicht einmal das blöde Spray hältst du aus. Mir hat es nicht wehgetan.«
Ich platzte fast vor Lachen, als ich Sebastians belämmerten Blick sah.
»Ein echter Depp bist du. Da habe ich mich ganz schön blamiert. Bringe einen Bodyguard mit, und auf der Flucht haut es ihn auf die Fresse. Unfassbar!« Leon schüttelte den Kopf.
Ich konnte nicht mehr, ich lachte laut heraus und wischte mir kurze Zeit später die Tränen aus dem Gesicht. Leon grinste wieder aus seinem verschrammten Gesicht, nur Sebastian war tief gekränkt und schwieg.
»Wir müssen uns etwas anderes überlegen«, sagte ich. »Etwas, das mehr Eindruck macht. Entschuldigung, Sebastian.«
»Darf ich dich morgen trotzdem zur Schule bringen?«, fragte Sebastian, und ich merkte, wie schwer ihm die Frage fiel.
»Aber nur, wenn du mich nicht wieder blamierst, okay?«
Die beiden gaben sich feierlich die Hand, während ich ein erneutes Lachen zu unterdrücken versuchte.
»Okay, und ich hole dich ab«, versprach ich. Ich musste mir etwas einfallen lassen, und zwar schnell.
Lou saß an seinem Schreibtisch, als ich das Büro betrat. Von vornherein ließ ich keinen Zweifel an meinen Absichten aufkommen. Diesmal würde ich mich nicht mit einer fadenscheinigen Ausrede abspeisen lassen. Ich stemmte die Hände in die Hüften und beugte mich zu ihm hinunter. Ich mochte aussehen wie ein kleiner Racheengel, aber wenn nur noch das half, was sollte ich tun?
»Raus mit der Sprache, Lou. Was versteckst du im Keller?«
Er sagte nichts und sah betreten zu Boden. Als er nach einer guten Minute noch immer schwieg und mich noch nicht einmal angesehen hatte, platzte mir endgültig der Kragen.
»Sag mal, hast du sie nicht mehr alle? Was soll das? Du flehst mich förmlich um Hilfe an und legst mir dann Steine in den Weg, weil du mir Dinge verschweigst.« Es half nichts. »Wenn ich dir helfen soll, dann sag mir jetzt, was los ist. Oder ich hänge alles an den Nagel und gehe jetzt durch diese Tür hinaus.«
Meine Worte standen wie ein Donnerhall im Raum. Und Lou antwortete noch immer nicht. Er sah zu Boden und sagte nichts.
»Deine Entscheidung«, fügte ich unerbittlich hinzu.
Ich war bereits an der Tür, als ich etwas vernahm, das mit viel gutem Willen als Lous Stimme erkennbar war, und drehte mich um.
»Bitte?«
»Ich weiß nicht, was drin ist.« Er flüsterte und schien nur mehr ein Schatten seiner selbst.
»Bitte?«
Er sah auf. »Ich weiß nicht, was drin ist.« Diesmal lauter.
»Ja, das habe ich verstanden.«
»Wieso fragst du dann?« Er wirkte erleichtert, dass er die Last nicht mehr allein auf seinen Schultern zu tragen hatte, und wurde schon wieder aufmüpfig.
»Weil ich nicht verstehe, wie man so dämlich sein kann.« Ich setzte mich ihm gegenüber.
»Okay«, sagte er und holte Luft. »Ich habe einem Freund einen Gefallen getan.«
»Einem Freund?«
»Ja, einem Freund. Einem
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