Mein wirst du sein
fühlte ich mich frei. Ich liebte es, einfach nur so dahinzubrausen. Als Autofahrerin mochte ich es schnell, beim Motorradfahren genoss ich, auch wenn ich nicht so flott unterwegs war. Ich gehörte nicht zu den Rasern, die stolz darauf waren, in einer halben Stunde nach Stuttgart zu fahren. Damit konnte ich den ganzen Tag zubringen. Ohnehin fuhr ich lieber auf der Landstraße als auf der Autobahn. Dafür war meine 600er ohnehin nicht ausgelegt.
Ich bog ab Richtung Donautal, trank in Munderkingen in einem Straßencafé eine Tasse Kaffee und fuhr im Zickzack-Kurs zurück nach Ulm.
Es war vier Uhr, und ich fühlte mich merklich besser. Staubig und verschwitzt zwar, aber zufrieden und klar im Kopf.
Ich duschte und zog mich um.
Jens wartete bereits. Er nahm mich kurz in den Arm, und ich spürte, wie gut mir das tat.
»Bier oder Wein?«, fragte er, als wir uns gesetzt hatten.
»Für mich ein Bier, ich bin wirklich keine Weintrinkerin.«
»Und dabei gibt es so gute Weine. Ungewöhnlich, dass eine Frau lieber Bier trinkt.«
Die Kellnerin brachte das Bestellte und wir stießen an.
»Eigentlich ein bisschen makaber, dass wir hier sitzen und anstoßen«, meinte Jens und sah mich an.
»Du meinst, wegen der Leiche, die hier gefunden worden ist?«
Jens nickte. »Wir sitzen hier, reden fröhlich, lachen, trinken etwas zusammen, und dort drüben, nicht weit von hier, ist eine tote Frau in einem See gefunden worden.«
Eigentlich hatte ich dieses Thema vorübergehend ausblenden wollen. Aber scheinbar kam man in Ulm derzeit nicht daran vorbei.
»Komisch«, fuhr Jens fort. »Schon die zweite Frau innerhalb weniger Tage, die aufgefunden worden ist.«
»Wie meinst du das?«
»Na, so oft kommt das nicht vor. Und jetzt zwei Morde in so kurzem Abstand. Das ist doch seltsam, gib’s zu.«
»Aha, der Journalist.«
»Nein, gesunder Menschenverstand. Serienmörder sind selten. Viel seltener, als es uns das Fernsehen weismachen möchte. Trotz allem gibt es sie.«
Ich nickte nur.
»Weißt du mehr darüber?« Er sah mich abwartend an. »Komm schon, raus mit der Sprache! Treibt hier wirklich ein Serienmörder sein Unwesen?«
»Zumindest scheint es so auszusehen«, sagte ich langsam.
»Wie kommst du darauf?«
Zum Teufel mit Mark Heilig! Ich überlegte kurz, dann erzählte ich Jens von den Ketten mit der Rose dran, die bei den Opfern gefunden worden waren. Den Einbruch in meiner Wohnung und die Tatsache, dass in Deutschland noch mehr tote Frauen gefunden worden waren, die auf gleiche Weise ums Leben gekommen waren, verschwieg ich.
»Das ist unfassbar!«, sagte Jens, als ich geendet hatte, und schüttelte den Kopf. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so etwas wirklich gibt. Und das direkt vor unserer Nase.«
»Scheint aber wohl so zu sein.«
Wir wechselten das Thema, und ich war froh darüber. Es tat gut, nicht zu Hause herumsitzen zu müssen, aber ich war weit davon entfernt, den Abend zu genießen.
Gegen halb zehn warf Jens einen entschuldigenden Blick auf die Uhr.
»Es tut mir leid, aber ich sollte langsam nach Hause. Ich habe morgen einen langen Tag vor mir.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich bin auch nicht mehr richtig fit.«
Wir bezahlten und verließen den Biergarten. Meine Proteste, dass ich allein nach Hause gehen konnte, ignorierte er. Und irgendwie war ich froh darüber.
»Hier läuft ein Serienkiller frei herum, da werde ich dich selbstverständlich zurückbringen.«
Eine halbe Stunde später lieferte er mich wohlbehalten vor meiner Wohnung ab. Er hatte keine Ahnung, wie schwer es mir fiel, meine eigenen vier Wände zu betreten.
Doch es schien alles in Ordnung zu sein. Weder saß Mark vor meiner Tür, noch schien jemand in meiner Wohnung gewesen zu sein. Trotzdem drehte ich den Schlüssel zweimal um, legte die Kette vor und vergewisserte mich, dass die Fenster richtig geschlossen waren.
Montag
Wieder riss mich das Läuten des Telefons aus dem Schlaf. Das wurde langsam zu einer unangenehmen Gewohnheit.
Verschlafen schielte ich auf den Wecker, doch es war kurz nach acht. Für meinen nächtlichen Anrufer zu spät. Dafür höchste Zeit aufzustehen.
Ich nahm den Hörer ab.
»Kannst du mir bitte mal sagen, was das soll?«
»Dir auch einen schönen guten Morgen«, antwortete ich Mark und setzte mich im Bett auf. Dann tastete ich nach dem Lichtschalter und blinzelte im hellen Schein der Nachttischlampe. »Verrätst du mir den Grund deiner schlechten Laune und warum du sie gerade an mir auslassen
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