Mein wirst du sein
nicht, Platz zu nehmen.
Es war das typische Büro eines Versicherungsmaklers. Klein, mit Schreibtisch und PC, einem Besuchertisch, an dem wohl Gespräche geführt wurden, und wegen des freundlichen Eindrucks und des Wohlfühlfaktors einige pflegeleichte Grünpflanzen und farbige Drucke an der Wand.
Auf seinem Schreibtisch stand ein Foto von seiner Frau und den Kindern.
»Herr Wendt, wir sollten uns unterhalten. Oder soll ich besser Dr. Schönborn sagen?«
»Ich weiß, wie Ihnen das vorkommen muss.«
Schon der zweite am heutigen Tag, der behauptete, dass es nicht so war, wie es aussah. Ich konnte es kaum erwarten, seine Ausrede zu hören.
»Wie kommt es mir denn vor?«, fragte ich interessiert. »Oder soll ich fragen, wie es mir vorkommen sollte ?«
Wendt angelte nach einer Zigarette von seinem Schreibtisch und zündete sie an. Er brauchte einen zweiten Anlauf, bis sie brannte. Beim letzten Mal hatte ich ihn rauchend auf der Straße gesehen. Vermutlich war Rauchen im Büro untersagt, aber er schien Zeit gewinnen zu wollen. Oder brauchte jetzt einfach ein bisschen Nikotin.
Schweigend wartete ich, bis er die ersten Züge getan hatte. Dann wurde es mir zu dumm.
»Nun?«
»Ich liebe meine Frau und meine Kinder. Ich würde sie niemals verlassen. Trotz allem schleicht sich in eine Beziehung irgendwann der Alltag ein und man sehnt sich nach Abwechslung.«
»Und das ist ein Grund, sich eine zweite Identität zu schaffen?« Ich konnte nicht glauben, was er da sagte. Schon wieder hatte ein Mann seine Frau betrogen, und immer wieder hörte ich die gleichen Ausreden.
Der Gedanke an meine eigene Ehe flammte kurz auf, doch ich verdrängte ihn.
»Es ist einfacher so. Sonst lernt man doch mal jemanden kennen, der zu Hause anruft oder meiner Frau einen Tipp gibt. Dem wollte ich vorbeugen.«
Er sah längst nicht mehr so gut aus wie der blendend gelaunte Dr. Schönborn, den ich kennengelernt hatte. Er war noch immer weiß im Gesicht, sein Anzug saß schlecht und auf der Krawatte war ein Kaffeefleck.
»Wie fürsorglich von Ihnen. Das ist aber noch lang kein Grund, Frauen umzubringen.«
Wendt zuckte zusammen.
»Ich? Jemanden umbringen? Das glauben Sie doch selbst nicht!«
»Was soll ich sonst glauben?«, schnauzte ich zurück. »Lag es daran, dass Susanne Dauber ahnte, dass Sie ein Doppelleben führen? Immerhin war ihr Mann Arzt an der Uniklinik, da kannte sie vermutlich eine Menge seiner Kollegen und wusste, dass kein Dr. Schönborn darunter war. War das der Grund, warum sie sterben musste?«
»Sind Sie verrückt geworden?« Wendt drückte seine Zigarette auf der Untertasse seines Kaffees aus, obwohl sie noch nicht einmal zur Hälfte geraucht war. Dann sah er mich an.
»Hören Sie«, sagte er leise und kam näher. »Es ist meine Sache, was ich mit meinem Leben mache. Das berechtigt Sie aber noch lang nicht, mich eines Mordes zu beschuldigen.«
»Ich kann noch viel mehr. Haben Sie die andere Frau auch über eine Kontaktanzeige kennengelernt?«
Sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich einen Treffer gelandet hatte. »Warum die Kette um den Hals?«
»Sind Sie wahnsinnig? Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen?«
»Ich weiß sehr wohl, was ich sage. Die Frage ist, was Ihre Frau dazu sagt.«
»Wagen Sie es ja nicht!« Er war noch näher gekommen.
»Drohen Sie mir?«
»Wenn Sie das machen, dann …«
»Was dann?«
Mehr konnte ich nicht sagen. Im nächsten Moment landete seine Faust auf meinem Kinn, und ich ging zu Boden. Wendt stürzte sich auf mich, sein Gesicht vor Wut zu einer unheimlichen Maske verzerrt.
Er schlug mir erneut ins Gesicht, dass ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde explodieren.
»Ich lasse mir von Ihnen nicht mein Leben kaputtmachen«, zischte er wie von Sinnen.
Wer sollte mir helfen? Im Büro war niemand mehr, und von außen war es nicht einzusehen. Kein Mensch konnte beobachten, dass er mich prügelte, und langsam bekam ich Angst um mein Leben. Beim nächsten Schlag von Wendt wurde mir schwarz vor Augen.
Ich wusste nicht, wie lang ich dort gelegen hatte, doch es konnten nur wenige Augenblicke gewesen sein. Plötzlich bekam ich wieder Luft, und gierig saugte ich die lebensnotwendige Kostbarkeit in tiefen Zügen in meine Lungen.
Als ich vorsichtig die Augen öffnete, starrte ich in den Lauf einer Maschinenpistole, die ein vermummter Schwarzgekleideter im Anschlag hielt. Noch immer heftig atmend, wandte ich vorsichtig den Kopf und sah, dass er nicht allein war.
War ich in der Hölle
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