Mein wirst du sein
Vielleicht erscheint dir dann einiges klarer. Ich habe es nicht zuletzt wegen dir getan.«
»Da bin ich ja mal gespannt.« Ich konnte nicht verhindern, dass ätzender Spott meine Stimme begleitete.
»Ich rufe dich an, wenn ich zurück bin, dann können wir in Ruhe über alles reden.«
Ich verabschiedete mich nicht. Zu schwer wog die Enttäuschung über den Vertrauensbruch. Da musste er sich ordentlich etwas einfallen lassen, wenn er mir das erklären wollte.
Der Tag hatte denkbar schlecht angefangen. Ich fühlte mich unter Zugzwang. Mark konnte ich nur wieder versöhnlich stimmen, wenn ich den Fall löste. Sonst waren wir Feinde für den Rest meines Lebens.
Ich fragte mich, warum mir das so wichtig war. Doch die Antwort wollte ich mir nicht geben.
Es war höchste Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Ich wollte ins Zeitungsarchiv und mir den Artikel über die Frau in Weißenhorn ansehen. Und dann musste ich mir Lou vorknöpfen. Wenn Mark sich rächen wollte, dann über ihn. Ich musste wissen, was in den Paketen war. Und später am Tag wollte ich mir diesen Wendt alias Dr. Daniel Schönborn noch einmal vorknöpfen.
Ein arbeitsreicher Tag lag vor mir. Nicht zuletzt, weil Jens mit mir zum Abendessen gehen wollte. Ich trank eine weitere Tasse Kaffee und schaufelte eine Schale Cornflakes in mich hinein, dann ging ich zu Fuß zum Zeitungsverlag, der nicht weit entfernt war.
Bei der jungen Frau am Informationsschalter brachte ich mein Anliegen vor, und sie ging mit mir ins Archiv im Keller. Sie weihte mich in das Geheimnis der Ablage und die Funktion des Microfishgeräts ein und überließ mich dann mir selbst.
Ich wühlte eine Weile herum, bis ich den entsprechenden Artikel gefunden hatte. Doch meine Enttäuschung war groß, weil ich mir mehr davon versprochen hatte. Im Wesentlichen wusste ich bereits alles, was dort geschrieben stand. Der Mord war im Herbst vergangenen Jahres geschehen, und man hatte zunächst im Umfeld der Familie nach dem Täter gesucht. Allerdings gab es keine weiteren Erkenntnisse, und die Meldungen wurden von Tag zu Tag immer kürzer. Ein Anhänger mit Rose wurde nicht erwähnt. Aber das hatte Mark mir ja schon erzählt.
Ich überlegte, ob mir noch mehr ungeklärte Mordfälle dieser Art einfielen, und fragte mich, was der Auslöser für eine solche Tat gewesen sein konnte.
Einer Eingebung folgend studierte ich die Todesanzeigen in den Wochen, bevor der Mord geschehen war. Und dabei stieß ich auf eine große Anzeige mit Bild von einer Sigrid Weber. Im Namen von Erich Weber. Frau Weber war drei Wochen vor dem Mord nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben, wie es hieß.
War das ein Zufall? Oder eine Spur? Noch immer wollte ich nicht recht daran glauben, dass Erich Weber etwas mit dem Mord zu tun hatte. Aber trotzdem, etwas war komisch. Vielleicht sollte ich mich langsam an den Gedanken gewöhnen, ihn als Tatverdächtigen in Betracht zu ziehen.
Nachdenklich verließ ich das Archiv, in dem ich immerhin den Vormittag verbracht hatte. Merkwürdig, wie schnell die Zeit verging, wenn man etwas suchte.
Um zu Lou zu kommen, musste ich mein Auto holen. Schnell lief ich nach Hause und traute meinen Augen nicht, als ich Sebastian und Leon mit gesenkten Köpfen den Hof hinter dem Haus betreten sah.
»Was ist denn mit euch passiert?«, wollte ich wissen.
Sie drehten sich um, und was ich sah, verschlug mir den Atem: Sebastian hatte einen Riss in seinen Jeans und humpelte, und Leon war vom Kopf bis zu den Füßen dreckig und hatte eine blutige Schramme im Gesicht.
»Seid ihr unter die Straßenbahn gekommen?« Ich schloss die Tür auf. Vergessen war Lou. »Kommt rein, das müssen wir sauber machen.«
Ich verfrachtete die beiden in meine Wohnung und setzte sie an den Küchentisch. Dann holte ich Verbandszeug und Wunddesinfektionsmittel aus dem Bad.
»So, jetzt erzähl mal«, forderte ich Leon auf, als ich seine Wunde im Gesicht säuberte. Sie hatte schlimmer ausgesehen, als sie letztendlich war. Trotz allem tat es sicher weh.
»Dein Bruder ist eine ganz schöne Pfeife«, platzte er heraus, und Sebastian senkte schuldbewusst den Blick auf den Tisch. Um ihn gleich darauf wieder zu heben.
»Die waren zu viert.«
»Bitte?« Das durfte jetzt aber nicht wahr sein! »Hast du dich von vier Knirpsen fertigmachen lassen?«
Sebastian sagte nichts.
»Also bitte, ein Knirps bin ich ja wohl schon lang nicht mehr!«
»Entschuldigung«, murmelte ich. Ich war völlig perplex. »Tut das weh?«
Leon schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher