Mein wirst du sein
Polizeiaufgebot vor der Tür weg war, dann schlich ich wie ein geprügelter Hund vom Ort des Geschehens.
Ich musste mich beeilen, um mich für das Abendessen mit Jens fertigzumachen. Zum Wundenlecken blieb keine Zeit.
Noch hatte ich nur rote Flecken im Gesicht, die aber bald blau schimmern würden. Außerdem war meine Lippe aufgerissen.
Viel mehr schmerzte jedoch, dass Mark mir das Leben gerettet und mich außerdem ausgelacht hatte. Denn auch wenn ich es vorher vehement geleugnet hatte, musste ich mir verbittert eingestehen, dass ich vielleicht nicht mehr lebend aus dem Büro herausgekommen wäre, wenn Mark nicht dazwischengegangen wäre.
Einen Moment überlegte ich, ob ich Jens absagen sollte. Trotzig entschied ich mich dagegen. Sollte er denken, was er wollte. Das war mein Berufsrisiko, wenn ich auch heute zum ersten Mal nur knapp mit dem Leben davongekommen war.
Ich unternahm alles, mich einigermaßen vorzeigbar herzurichten, doch der Versuch misslang kläglich. Ich sah schlecht aus, nicht nur wegen des verschwollenen Gesichts und der aufgerissenen Lippe. Resigniert gab ich auf und entschied mich für mein gewohnt bequemes Outfit.
Als ich im ›Peppers‹ ankam, trug ich eine olivgrüne Hose, ein schwarzes T-Shirt und grobe Boots. Mein Haar hatte ich offen gelassen. Jeder Versuch, es in einen Pferdeschwanz zu zwängen, war danebengegangen.
Das ›Peppers‹ war ein kleines Lokal mit spanischen und mexikanischen Spezialitäten. Ich liebte dieses Essen, außerdem hatte es einen gemütlichen kleinen Garten, in dem man im Sommer herrlich sitzen konnte.
Jens wartete bereits auf mich. Er saß an einem kleinen Tisch am Fenster. Als er mich sah, erstarb das Lächeln auf seinen Lippen und wich zuerst einem erstaunten, dann einem besorgten Ausdruck. Er sprang auf und kam mir entgegen.
»Wie siehst du denn aus?«, fragte er mit einer Mischung aus Mitleid und Entsetzen. »Wer hat dir das angetan? Geht es dir gut?«
»Es geht schon, danke«, antwortete ich hölzern. Ich hatte nicht die Absicht, mich von seiner Fürsorge einlullen zu lassen.
Ihm gegenüber nahm ich Platz. Ein Kellner kam und notierte unsere Bestellung. Ausnahmsweise entschied ich mich für einen schweren Rotwein. Genau den brauchte ich jetzt. Fürs Vergessen und einen guten Schlaf heute Nacht.
Ich holte Luft und wollte Jens zur Rede stellen, doch der hob die Hand.
»Augenblick. Wir können über alles reden, kein Problem. Ich werde dir jede deiner Fragen ehrlich beantworten. Aber zuerst musst du mir erzählen, wer dich so zugerichtet hat.«
Wie viel sollte ich ihm erzählen, ohne dass es am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen war?
»Ich verspreche dir, es bleibt unter uns. Ich mache mir Sorgen um dich, das hat nichts mit meinem Beruf zu tun. Aber so wie du aussiehst, hat dir jemand ordentlich zugesetzt.«
Ich nickte und entschloss mich, ihm nichts wirklich Wichtiges zu erzählen und keine Namen zu nennen. Damit konnte er nicht viel anfangen. Und dass es mit dem Fall zusammenhing, behielt ich einfach für mich.
»Ich habe einen Verdächtigen zur Rede gestellt, und der ist ausgerastet. Zum Glück ist jemand dazwischengegangen. Sonst wüsste ich nicht, wie es ausgegangen wäre.«
»Dann musst du ihn anzeigen.«
»Das läuft schon.« Damit musste er sich zufrieden geben, mehr würde er von mir nicht zu hören bekommen. Sein Verhalten hatte mich tiefer gekränkt, als ich mir zunächst hatte eingestehen wollen.
Jens nickte wenig überzeugt, schien sich aber damit zufriedenzugeben, und ich war nicht bereit, weiter darüber zu reden.
»Deswegen sind wir aber nicht hier«, sagte ich fest. »Du bist mir eine Erklärung schuldig.«
Er seufzte. »Das bin ich wirklich. Ich kann mich nur entschuldigen, das ist blöd gelaufen, und ich habe mich wie ein Idiot benommen. Aber ich möchte versuchen, dir meinen Standpunkt klarzumachen.«
Der Kellner kam mit den Getränken, und ich nippte an meinem Glas, ohne Jens zuzuprosten. Ich bestellte Fajitas de pollo , ohne in die Karte zu sehen, während Jens eine Platte mit gemischten Spezialitäten orderte.
»Sieh mal, offenbar treibt ein Serienmörder sein Unwesen«, nahm er den Faden wieder auf. »Das hat die Polizei der Öffentlichkeit verschwiegen. Warum auch immer. Die Aufgabe eines Reporters ist es jedoch zu informieren. Und seien die Informationen auch noch so unangenehm. Jede Frau, die eine Kontaktanzeige aufgibt, könnte ihm zum Opfer fallen. Und dieser Gefahr sollte man sich bewusst sein.«
Er schwieg
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