Mein wirst du sein
für einen Moment, doch ich antwortete nicht, nippte an meinem Wein und wartete ab.
»Ich gebe zu, dass es nicht fair war, dich nicht darüber zu informieren. Aber schließlich hast du es mir selbst erst gestern Abend erzählt. Den Entschluss, den Artikel zu schreiben, habe ich dann auf dem Nachhauseweg gefasst. Und glaub mir, mein Chef war nicht begeistert, als ich gestern am späten Abend noch damit ankam. Er musste alles umstellen.«
»Soll ich jetzt auch noch Mitleid haben?«
»So habe ich das nicht gemeint. Aber denkst du nicht, dass du wissen möchtest, dass du zu einem Mordopfer werden kannst, wenn du auf eine Kontaktanzeige antwortest? Wie viele Frauen wären dem Täter wohl noch zum Opfer gefallen, weil sie sich arglos mit einem Fremden verabredet hätten? Frauen, die dieses Risiko jetzt vielleicht nicht mehr eingehen.«
Ich überlegte. Was er erzählte, barg eine gewisse Logik. Trotz allem war ich mit der Wahl der Mittel alles andere als einverstanden.
»Du hättest mich zumindest vorher fragen können. Hast du überhaupt eine Ahnung, was ich für einen Ärger am Hals habe?«
»Das tut mir leid, ehrlich. Ich hätte dich fragen müssen oder es dir zumindest erzählen sollen, das gebe ich zu.«
Was sollte ich jetzt sagen? Irgendwie hatte er recht, und ich war auch selbst schuld. Ich hätte ihm keine vertraulichen Dinge erzählen dürfen. Was hatte mich nur dazu bewogen? Es war dämlich gewesen.
Der Kellner servierte das Essen.
»Lassen wir das einfach.«
Es war ohnehin geschehen. Und mit Mark würde ich schon irgendwie fertigwerden. Ich griff nach Messer und Gabel und begann zu essen. Erst jetzt merkte ich, wie hungrig ich war.
Während des Essens redeten wir kaum miteinander. Ich musste meine Gedanken sortieren, und Jens respektierte das offenbar und ließ mich in Ruhe.
So schlecht der Tag gelaufen war, der Abend schien ein halbwegs versöhnliches Ende zu nehmen, denn die Stimmung entspannte sich merklich, nun, da alles gesagt war.
Das ›Peppers‹ war voll zu dieser Uhrzeit. Gäste kamen und gingen, und es herrschte reges Treiben im Gastraum. Ich sah mich um und verschluckte mich beinahe an meinem Essen. Einige Tische weiter links von mir saß Erich Weber. Ihm gegenüber eine junge Frau. Er lachte und plauderte und hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem in sich gekehrten Mann, der im ›Jazz-Keller‹ regelmäßig zu Gast war.
Den Rest meines Essens konnte ich nicht mehr wirklich genießen. Auch Jens’ Versuche, mich in ein Gespräch zu verwickeln, schlugen fehl. Zu sehr war ich damit beschäftigt, Erich Weber und die junge Frau zu beobachten. Und was ich da sah, verunsicherte mich zutiefst. Da saß ein völlig anderer Mensch als der, den ich kennengelernt hatte. War das Mädchen das nächste Opfer? Konnte ich ihn vielleicht auf frischer Tat ertappen?
In mir sträubte sich noch immer alles, dass er der Täter sein sollte, aber diese Stimmen wurden leiser. Deutlich leiser. Der Sache musste ich nachgehen.
Ich zögerte den Abend hinaus, bis auch Weber und seine Begleitung die Rechnung bezahlten. Dann stand ich abrupt auf. Jens sah mich irritiert an.
»Was ist denn jetzt los?«
»Ich muss weg.«
»So plötzlich?«
»Ja.« Ich ließ ihn einfach sitzen, bezahlte und folgte dem Paar nach draußen. Weber hatte den Arm um die Frau gelegt und streichelte ihr zärtlich über den Rücken.
Mein Pech war nur, dass ich kein Auto hatte, ich war zu Fuß ins ›Peppers‹ gekommen. Fieberhaft überlegte ich, was ich tun sollte. Wenn sie ins Parkhaus gingen, war ich aufgeschmissen.
Doch das Schicksal meinte es gut mit mir, denn die beiden gingen ins ›Stitz‹, eine Cocktailbar in der Nähe des Rathauses.
Ich dachte nach. Es war nicht weit bis nach Hause. Konnte ich es riskieren, mein Auto zu holen?
Als sie ihre Cocktails vor sich stehen hatten, beschloss ich, dass ich konnte. Ich rannte nach Hause, rammte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln zurück.
Die beiden saßen noch immer an ihrem Tisch. Ich atmete auf und lehnte mich zurück.
Die nächsten zwei Stunden hatte ich Zeit zum Nachdenken. Über mich, über Mark, über meinen Beinahe-Tod, über Wendt, Jens Krüger und jetzt über Erich Weber. Andreas mischte sich in meine Überlegungen, doch ich verbat mir weitere Gedanken an ihn. Was dabei herauskam, schmeckte mir nicht.
Gegen halb elf wurde ich müde. Um zwölf fielen mir zum ersten Mal die Augen zu. Kurze Zeit später schreckte ich hoch und
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