Mein wirst du sein
Mädchen und hatte keine Feinde. Zumindest nicht in der Klasse oder an der Schule.«
»Gibt es sonst noch etwas?«
Bisher war die Ausbeute mager. Nichts, was ich nicht schon zuvor gewusst hatte. Das konnte nicht sein. Der lange Weg hierher umsonst?
»Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich weiß nur noch, dass damals das Unterste zuoberst gekehrt wurde, und dass wir alle vernommen wurden. Tagelang hat es von Polizisten gewimmelt, und wir konnten von Glück sagen, dass die Ferien bald begannen. An ein normales Leben hier, geschweige denn an Unterricht und Lernen, war nicht mehr zu denken.«
»Darf ich?« Ich deutete auf das Jahrbuch.
»Bitte.«
Wahllos blätterte ich in dem Buch herum und schlug dann eine Stelle auf, die der Lehrer mit einem Papierstreifen markiert hatte. Eines der Fotos zeigte Heike mit einem jungen Mann, der den Arm locker um sie gelegt hatte.
Der Bursche kam mir bekannt vor, in meinem Kopf begann es zu arbeiten. Das Lächeln, es wirkte aufgesetzt, falsch. Wer war das?
»Ist das ihr Freund?«, fragte ich aufs Geratewohl und deutete auf den Mann.
»Ja, das ist er. Ein schmieriger Kerl, ich konnte ihn nicht leiden und wusste auch nicht, was Heike an ihm gefunden hatte. Die beiden passten einfach nicht zusammen. Tobias hieß er, an den Nachnamen kann ich mich nicht mehr erinnern. Liegt wohl am Alter. Aber das haben wir gleich.«
Er nahm das Buch wieder an sich und begann, darin zu blättern.
Es war nicht mehr nötig, ich wusste, wer der Mann war.
»Goldmann.«
Überrascht sah Herr Berger auf und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Klar, Goldmann, dass mir das nicht mehr eingefallen ist.«
Goldmann war also Heikes Freund gewesen. Hier hatte alles seinen Anfang genommen, sie war das erste Opfer gewesen.
Wie versteinert saß ich da und starrte auf das Foto der beiden. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume. Ich musste telefonieren. Sofort.
»Woher kennen Sie ihn?«
Ich stand auf.
»Er ist mir mal über den Weg gelaufen.«
Ich wollte nicht, dass Herr Berger herumerzählte, dass ich den Mörder gefunden hätte. Zunächst musste die Polizei das überprüfen, dann erst konnte man von einem Täter reden.
»Darf ich mir dieses Buch wohl vorübergehend ausleihen?«
Der alte Lehrer wiegte den Kopf.
»Wenn Sie mir versprechen, dass ich es wiederbekomme. Normalerweise gebe ich diese Bücher nicht aus der Hand. Es gehört nicht der Schule, es ist mein Exemplar.«
»Aber sicher. Sobald ich es nicht mehr benötige, bekommen Sie es zurück.«
Herr Berger schwieg, dann nickte er.
»In Ordnung. Wenn es dazu dient, den Mord aufzuklären, und das mein bescheidener Beitrag ist, sollen Sie es haben. Aber nur ausgeliehen.«
»Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
Er brachte mich zum Auto.
»Ich hoffe, Sie kriegen den Mörder. Und falls Sie Goldmann im Verdacht haben, sehen Sie sich vor.« Ernst sah er mich an. »Er ist schon früher oft in Schwierigkeiten geraten und hatte es wohl nur seinen vermögenden Eltern zu verdanken, dass das meiste davon unter den Teppich gekehrt wurde. Er neigte zu Gewalttätigkeiten, und Schlägereien nach Discobesuchen waren da noch das Harmloseste.«
Oh, okay.
»Keine Angst, von mir erfährt niemand etwas. Ich hoffe nur, dass Sie Heikes Mörder finden. Nach all den Jahren. Ich hatte es schon nicht mehr für möglich gehalten.«
Das Adrenalin prickelte in meinen Adern. Es war das sichere Gefühl, der Lösung entscheidend nahe zu sein. Ich liebte diese Hochstimmung kurz vor dem Ende eines Falles. Und diesmal war es ein Mord gewesen. Mein erster, den ich aufgeklärt hatte.
Als ich auf der Autobahn war, rief ich Mark an.
»Was willst du?«
Freundliche Begrüßung. Na warte!
»Dir den Mörder liefern.«
Statt dass ich sein überraschtes Schweigen genießen konnte, verhöhnte er mich.
»Schon wieder?«
Ich ging nicht darauf ein und erzählte, was sich zugetragen hatte, und dass Goldmann kein Alibi für den Mord an Susanne Dauber hatte.
»Dir ist schon klar, dass wir das Alibi noch einmal überprüfen müssen. So ein Theater wie mit Wendt möchte ich nicht noch einmal erleben.«
Hört, hört, wurde er freundlicher?
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
»Wo bist du gerade?«
»Auf dem Weg zurück nach Ulm, was glaubst du denn?«
»Dann bist du uns also nicht im Weg, wenn wir ihn verhaften?«
Ich biss die Zähne zusammen und schluckte eine scharfe Erwiderung hinunter.
»Hast du das denn vor?«
»Nun, so wie es aussieht, ist er
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