Mein wundervolles Genom
Ausdruck dessen, was wir normalerweise als ›Anfälligkeit‹ für Depression bezeichnen. Wenn das so ist, ist es nicht unbedingt schlecht für unseren Test«, sagt Larsen jetzt mit einem breiten Lächeln. »Man könnte es als Hebel einsetzen, um herauszufinden, ob es gegen die Krankheit und die Anfälligkeit hilft, wenn man die Genaktivität in den Blutkörperchen normalisiert.«
»Ich kenne die Details des Tests nicht, aber das, was Sie mir erzählen, klingt so, als hätten wir es mit stabilen Mustern zu tun«, sagt Moshe Szyf in Montreal am Telefon. »Das heißt, nicht mit akuten Veränderungen, sondern mit etwas Epigenetischem. Und allgemein gesprochen, bin ich überzeugt, dass es eine Wirkung auf das gesamte System hat, wenn epigenetische Veränderungen im Gehirn auftreten. Das Immunsystem kommuniziert direkt mit dem Nervensystem. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass Veränderungen im Gehirn sich in den weißen Blutkörperchen zeigen.«
Er macht eine Pause.
»Aber Sie wollten wohl nicht über die Forschungsarbeiten von anderen mit mir sprechen?«
Nein, natürlich nicht. Ich habe in Montreal angerufen, um etwas über das Forschungspotenzial der Epigenetik von einem ihrer führendenVertreter zu erfahren – der zudem noch ein Spezialist für das Gehirn ist. Ich verstehe vollkommen, dass mein Test in Lundbeck für ihn nicht höchste Priorität hat.
»Ja, jetzt bekommen wir Aufmerksamkeit«, sagt Szyf. »Einige von uns forschen seit dreißig Jahren zu epigenetischen Veränderungen des Genoms, und in der ganzen Zeit hat es niemanden interessiert.«
Aber heute herrscht allgemeine Begeisterung, erinnere ich ihn vorsichtig.
»Ja, weil endlich klar ist, dass die Epigenetik Antworten auf eine ganze Reihe von Fragen liefern kann, die uns verblüfft haben.«
Szyf selbst hat epigenetische Theorien bei einigen solchen Fragestellungen einbezogen. Er ist etwa überzeugt, dass wir die Erklärung für die große Kluft bei der Gesundheit von Armen und Reichen in epigenetischen Effekten finden werden. Der sozioökonomische Status eines Menschen hinterlasse eine Markierung in seinem Genom, sagt Szyf, und daraus resultierten augenfällige Unterschiede bei der individuellen Gesundheit in unseren insgesamt so wohlhabenden westlichen Gesellschaften. Als ersten Anhaltspunkt führt er an, dass Menschen niedrigerer sozialer Schichten nicht nur früher sterben, sondern auch viel öfter von den großen Zivilisationskrankheiten betroffen sind. Auch die Krankheitsverläufe sind bei ihnen schwerer, und die Prognose ist schlechter als bei wirtschaftlich besser gestellten Personen mit der gleichen Krankheit. »Dieser Unterschied kann wohl nicht daher rühren, dass die Armen andere Gene haben als die Reichen. Es ist so offensichtlich, dass hier etwas Epigenetisches vorgeht, aber niemand hat es bisher untersucht«, sagt Szyf.
Um seine Theorie zu überprüfen, haben er und sein Team kürzlich Zugang zu einer wahren Goldmine bekommen: einer großen, repräsentativen Gruppe von Kanadiern, die seit ihrer Geburt vor fünfzig Jahren medizinisch getestet und beobachtet wurden. Bisher haben die Ärzte weiße Blutkörperchen untersucht, um herauszufinden, ob es individuelle Unterschiede gibt, wie viele und welche Gene durch kleine Methylgruppen epigenetisch inaktiviert wurden. Szyf möchte nun überprüfen,ob ein Zusammenhang zwischen den festgestellten Unterschieden und dem sozioökonomischen Status der betreffenden Person in den frühen Lebensjahren besteht.
»Und wie es aussieht, ist da tatsächlich etwas!« Allerdings kann er die endgültigen Ergebnisse noch nicht mitteilen. Ich frage auf gut Glück, ob sein Team vielleicht epigenetische Veränderungen bei interessanten einzelnen Genen gefunden hat. Die schichtspezifischen Gesundheitsunterschiede, von denen wir immer wieder hören, betreffen in der Regel Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Szyf seufzt leise.
»Natürlich kennen wir bestimmte Gene, die bei diesen Krankheiten eine Rolle spielen. Das versteht sich von selbst.«
Ja, aber kann man sagen, dass solche Gene bei den Reichen oder den Armen entweder abgeschaltet wurden oder besonders aktiv sind?
»Die Muster, die wir sehen, sind über das gesamte Genom verteilt, und meiner Einschätzung nach sind eine Menge Gene beteiligt. Wir lassen uns nicht vom Weg abbringen, indem wir uns jetzt schon auf einige wenige konzentrieren.«
Ich verstehe nicht, worauf er hinauswill.
»Der Enthusiasmus rührt zu einem großen Teil
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