Mein wundervolles Genom
entsprechenden Gene bei Tieren), die möglichst verschieden von ihren eigenen sind. Anscheinend geht es nicht darum, den idealen Mausepartner zu finden – die Supermaus für alle Fälle –, sondern offenbar gibt es für jede Maus Partner, die sie genetisch besser ergänzen als andere.
Als Wedekind dieser Beobachtung weiter nachging, erkannte er, dass die Tiere tatsächlich die Fitness ihrer Nachkommen optimierten. Partner mit sehr verschiedenen MHC-Genen geben den Nachkommen aus ihrer Verbindung die denkbar größte Bandbreite an MHC-Genen mit. Und das bedeutet für die nächste Generation ein maximal flexibles Immunsystem.
Wenn nun Mäuse so »rational« bei der Partnersuche sind, überlegte Wedekind, sollten es Menschen dann nicht auch sein?
Er ließ neunundvierzig Frauen an T-Shirts verschiedener Männer – die die Frauen nicht kannten – schnuppern; die Männer hatten zwei Nächte in den T-Shirts geschlafen und in der Zeit keinerlei Deo oder sonstige künstliche Duftstoffe verwendet. Mit anderen Worten: reiner, unverfälschter Körpergeruch. Vierundvierzig Männer beteiligten sich an dem Experiment. Die T-Shirts wurden nach dem Zufallsprinzip verteilt, jede Frau sollte sich zu sechs T-Shirts äußern. Die Frauen gaben an, wie angenehm oder unangenehm sie den Geruch im Verhältnis zu den anderen Gerüchen empfanden, und ordneten die Gerüche dann nach ihrer persönlichen Präferenz.
Die Männer wie die Frauen hatte man zuvor auf drei HLA-Gene getestet, die jeweils in zahlreichen Varianten vorkommen. Es stellte sich heraus, dass die Frauen nicht ähnliche Gene bevorzugten, sondern eindeutig den Körpergeruch der Männer am attraktivsten fanden, deren HLA-Typ von ihrem eigenen verschieden war. Je größer der Unterschied, desto angenehmer fanden sie den Geruch. Gleichzeitig sagten die Frauen über diesen Geruch, dass er dem Geruch ihrer gegenwärtigen oder letzten Partner am ähnlichsten sei. Die Resultate waren so eindeutig, dass Wedekind folgerte: »Unsere Ergebnisse zeigen, dass genetisch bedingte Duftkomponenten bei der Partnerwahl wichtig sein können.«
Die Experimente zeigten weiter, dass die Antibabypille die geruchsbasierte Partnerwahl stört. Wenn Frauen die Pille nahmen – die physiologisch eine Schwangerschaft imitiert –, waren ihre Präferenzen auf den Kopf gestellt: Sie bevorzugten Männer mit dem HLA-Typ, der ihrem eigenen am ähnlichsten war.
Die Nachrichten über das Experiment mit den müffelnden T-Shirts wanderten um die Welt und machten dabei nicht nur Schlagzeilen, sondern waren auch Anlass für so manche zweifelnde Kommentare. Konnte es tatsächlich sein, dass wir Menschen mit unserer hoch entwickelten Kultur und unserem raffinierten Lebensstil noch so primitive Instinkte haben? Wir gehen doch nicht herum und riechen aneinander – wir haben gesellschaftlich vermittelte Erwartungen an unsere Partner, Erwartungen hinsichtlich Aussehen, Bildungsstand, Berufsstatus und politischen Ansichten.
Doch damit war ein Minisektor der Genindustrie geboren. Nachfolgende Experimente von Wedekind und vielen anderen bestätigten, dass es eine solche Geruchspräferenz bei Frauen wie bei Männern gibt und dass die Präferenz praktische Bedeutung hat. In den Vereinigten Staaten hat Carole Ober von der University of Chicago bei einer Gruppe von Hutterern geforscht, einer Wiedertäufersekte, die bekannt dafür ist, dass sie prinzipiell keine Verhütung praktiziert. Die Hutterer willigten ein, dass die verheirateten Paare genetisch getestet wurden. Ober fandin ihrer Untersuchung zu HLA-Genen heraus, dass die Hutterer bis zu einem gewissen Grad nach den gleichen Regeln heirateten wie die Mäuse: Die Unterschiede bei den HLA-Genen von Ehemännern und Ehefrauen waren größer, als bei zufälliger Partnerwahl zu erwarten gewesen wäre. 2 Später fand eine andere Forschergruppe etwas Ähnliches bei »normalen« weißen Amerikanern und bekundete Zustimmung »zu der Hypothese, dass diese Gene bei manchen Bevölkerungsgruppen die Partnerwahl beeinflussen«. 3
Heute können Sie sich bei Partneragenturen anmelden, die sich anhand Ihrer HLA-Gene ans Werk machen. Als Erster ging Eric Holzle, ein arbeitsloser Ingenieur aus Boston, an den Start; er gründete die Partneragentur ScientificMatch.com. Seine unternehmerische Idee war, dass die User einen Test für eine Reihe von HLA-Genen kaufen und er von den Testergebnissen ausgehend mögliche Partner vorschlägt, die genetisch gut passen würden. Nach ihm kam das
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