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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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Genaktivität, dass ich depressiv bin, wenn ich es doch nicht bin? Was genau wird getestet?
    »Wie wäre es erst mit ein paar Hintergrundinformationen?«
    Während wir durch lange Gänge wandern, vorbei an Büros, die durch ihre Ordnung und harmonischen Farben auffallen, erzählt mir Larsen vom größten Problem der Pharmaindustrie. Die Beschäftigten wissen, dass sie nicht weiter nur Medikamente produzieren können, die leicht veränderte – oder »aufgepeppte« – Versionen alter Bekannter sind. Außerdem gibt es viele Bedürfnisse auf dem Markt, die derzeit nicht befriedigt werden. Aber um etwas Neues oder deutlich Besseres zu entwickeln, müssen die Wissenschaftler erst die Mechanismen einer Krankheit aufklären. Und in der Psychiatrie sei es unglaublich schwierig, diese Mechanismen zu identifizieren.
    »Ein generelles Problem besteht darin, dass die Diagnosen subjektiv sind«, sagt Larsen mit einer hilflosen Handbewegung. Depressionen sind ein richtig großer Markt, und da ist man nach und nach zu dem Schluss gekommen, dass die Diagnose einer MDD (major depressive disorder, schwere depressive Störung, die englische Abkürzung wird allgemein verwendet) viel mehr abdeckt als nur eine einzige Krankheit. Die Ahnung, dass es so sein könnte, nagte bereits seit Jahren an den Spezialisten. Heute wissen sie, dass ein Drittel der Patienten mit einer diagnostizierten Depression nicht auf Antidepressiva vom Typ Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) ansprechen, die anderen aber schon. Doch bei welchen Patienten diese Medikamente wirken und bei welchen nicht, kann man bislang im Voraus nicht sagen.
    »Wir mussten schließlich einsehen, dass wahrscheinlich unterschiedliche biologische Mechanismen beteiligt sind. Die Schlafmuster der Patienten sind verschieden: Manche schlafen viel, andere wachen morgens früh auf, und es gibt auch einen Unterschied beim Stresshormon Cortisol, das entweder erhöht ist oder erniedrigt. Wenn wir anhand der biologischen Gegebenheiten zwei Gruppen bilden können, denken wir, dass wir auch herausfinden, ob wir sie unterschiedlich behandeln sollten. Depressiv ist nicht gleich depressiv.« Larsen seufzt vernehmlich. »Und wir hätten sehr gern ein paar Biomarker, um sie zu unterscheiden.«
    Sie spricht hier für eine ganze Branche. Alle großen Pharmakonzerne arbeiten daran, Biomarker zu identifizieren, ganze Konferenzen widmen sich diesem Thema. Auch der Markt verlangt danach. In einem aktuellen Bericht über die Zukunft der Pharmaindustrie sagen Analysten von PricewaterhouseCoopers voraus, bereits 2020 werde es schwierig sein, Medikamente zu verkaufen ohne einen diagnostischen Test, ob der Patient genau diese Medikation überhaupt bekommen sollte. 5
    »Aber bei psychiatrischen Erkrankungen haben wir ein Problem. Die Krebsforscher können ohne Weiteres nach Biomarkern in Tumoren suchen, aber wir können schließlich nicht hergehen und eine Biopsie an Ihrem Gehirn vornehmen.«
    Das verstehe ich. Was ich aber nicht verstehe, ist, wieso sie Biomarker für Depression und Persönlichkeitsstörungen in weißen Blutkörperchen suchen, den Sturmtruppen des Immunsystems.
    Bereitwillig klärt Larsen mich auf. »Depressive Patienten zeigen eine Reihe von Veränderungen des Immunsystems, und viele glauben, dass ein Aspekt der Krankheit etwas mit Entzündungsvorgängen zu tun haben könnte. Wir finden vielleicht nicht alles im Blut, aber womöglich doch etwas Relevantes, das wir messen können.«
    Für mich klingt das mehr nach Angelausflug als nach einer wissenschaftlichen Hypothese.
    »Wissen Sie, in den letzten fünfzig Jahren haben wir mit Tieren gearbeitet und versucht, von ihnen auf den Menschen zu schließen, aber bei Krankheiten des Gehirns ist das mit großen Schwierigkeiten verbunden. Sie können eine Ratte nicht fragen, ob sie traurig ist oder Halluzinationen hat. Es liegt auf der Hand, dass wir mit Patienten beginnen müssen, aber wir können lebenden Menschen nicht Gehirngewebe entnehmen. Andererseits haben wir jede Menge Blut von Patienten von unseren großen klinischen Versuchen, und unser Grundgedanke ist, dass wir uns mehr davon versprechen, das Blut eines Patienten anzuschauen als das Gehirn einer Ratte.«
    Das klingt plausibel. Aber ich möchte immer noch eine Erklärung, wie um alles in der Welt sie wissen, welche Gene sie im Blut eines Patienten untersuchen müssen. Schließlich haben wir über zwanzigtausend Gene, woher wissen sie, welche relevant sind?
    »Dafür haben wir Experten«,

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