Mein wundervolles Genom
nicht von ihm angezogen?«
Kann sein, vielleicht – ein bisschen –, auf einer bestimmten Ebene. Aber seine Idee ist, dass wir ein Kind zusammen bekommen und uns das Sorgerecht teilen.
»Ja, wirklich, es wäre ein gutes Kind. Oder – zumindest gibt es eine gute Chance für eine erfolgreiche Schwangerschaft. Sie sollten darüber nachdenken.«
»Wie waren die Tests?«, fragt J., als er mich später am Tag aus Kopenhagen anruft. Er sitzt in einem Café mit einem »wunderschönen Mädchen«, wie er sagt, aber er hat immer noch die Energie, über seinen möglichen Nachwuchs nachzudenken.
»Hast du es erfahren?«
Es führt kein Weg dran vorbei. Ich muss ihm sagen, dass es so aussieht, als sei er die beste Wahl für mich.
»Ich wusste es!«
Noch am selben Tag schickt er mir eine SMS mit einem ganz neuen Argument, warum wir schnell zusammenkommen sollten:
Weißt du, was dieses Kind für dein Buch bedeuten würde? Wir könnten es als unseren Beitrag zur Literaturgeschichte betrachten.
Kinder. Nachwuchs. Ein Baby. Man kommt um die Tatsache nicht herum, dass es bei all diesen genetischen Informationen letztlich darum geht: die eigene Fortsetzung in einer neuen Kombination. Man kann nicht über Genetik reden, ohne Kinder zu erwähnen, und man kann nicht über die heutige Explosion von Wissen und technischen Möglichkeiten sprechen, ohne zu spekulieren, was das für die Kinder in der Zukunft bedeutet. Und damit für die Zukunft der Menschheit.
Da ich sowieso in einem Hotelzimmer in Zürich, der makellosen Stadt, festsitze, recherchiere ich ein bisschen. Bei meinen Streifzügen im Cyberspace stoße ich auf eine Bemerkung, die meine Unternehmungen an diesem Tag gut zusammenfasst. Randall Parker, der Mann hinter dem Blog FuturePundit , schreibt: »Wenn ich zehn oder zwanzig Jahre in die Zukunft schaue, stelle ich mir vor, dass es Online-Partnervermittlungen gibt, die die Menschen danach zusammenbringen, dass sie keine schädlichen rezessiven Gene gemeinsam haben. Die Suche nach Mr. und Mrs. Right wird dadurch gelenkt, dass die potenziellen Partner unbesorgt Kinder machen können.« 11
Das ist nicht unwahrscheinlich. Und es erinnert mich an ein Gespräch vor langer Zeit mit einem alten Bekannten, der zufällig auch Genetiker ist. Armand Leroi experimentiert in seinem Labor am Imperial College in London mit Mäusen, aber er spricht sehr gerne über menschliche Genetik. In seinem Buch Tanz der Gene sinniert er darüber, was für merkwürdige Dinge passieren können, wenn unsere Gene sich nicht anständig betragen. Später hat er in einem umstrittenen Beitrag für die New York Times die Auffassung vertreten, in Anbetracht der genetischen Unterschiede sei es sinnvoll, bei Menschen von unterschiedlichen Rassen zu sprechen. Das letzte Mal, als wir uns trafen, erzählte er davon, er wolle den genetischen Quotienten von Menschen errechnen.
Das Treffen fand in einem sehr schicken und sehr lauten Restaurant im noblen Londoner Stadtteil Knightsbridge statt. Mit einem blutigen Steak vor sich setzte mir Leroi seine Gedanken darüber auseinander, die genetische Gesundheit oder Qualität einer Person in Zahlen auszudrücken – ähnlich wie beim Intelligenzquotienten, der so etwas wie ein Maß der intellektuellen Fähigkeiten darstellt.
Ich möchte wissen, wie weit er inzwischen ist, und rufe ihn an. Er ist da, gerade zurückgekehrt von einem Tauchurlaub am Roten Meer. Wir führen das Gespräch über Skype, und während wir in unsere kleinenWebcams blicken, registriere ich, dass er sich kaum verändert hat. Er ist schlank, von der Urlaubssonne gebräunt, die beginnende Glatze steht ihm gut. Das, was ich von seinem Büro sehe, zeugt von Geschmack. Auf dem Boden liegt ein Perserteppich oder Afghane, auf allen verfügbaren Oberflächen sind kleine exotische Holzskulpturen verteilt. Das vollgestopfte Bücherregal hinter ihm reicht bis zur Decke, vermittelt aber den Eindruck von Ordnung und Planung.
»Oh ja, der genetische Quotient«, wiederholt Leroi, der sich offenbar erst besinnen muss. Er zündet sich eine Zigarette an und füllt meinen Computerbildschirm mit Rauch.
»Damit möchten Sie mich zitieren?«
Das war meine Idee.
»Ja, nun, es ist schon eine Weile her, dass ich mich damit beschäftigt habe, aber es wird weitergehen. Irgendwann.«
Ausgelöst habe seine Ideen damals, vor ein paar Jahren, eine Fernsehserie über seltsame Mutanten: Menschen mit dichtem Haarkleid am ganzen Körper, winzigen Köpfen oder einer Vorliebe, sich
Weitere Kostenlose Bücher