Mein wundervolles Genom
eine Nachfahrin des Volks der Papel aus Guinea-Bissau ist. (Das Tourismusministerium des Landes hat sie zu einem Besuch eingeladen, aber sie hat abgelehnt.) Und Oprah Winfrey engagiert sich für den Bau von Mädchenschulen in Südafrika, seit sie 2005 erfahren hat, dass ihre DNA sie als Nachfahrin der dort ansässigen Zulus ausweist. Auf einmal beschäftigte sie das Schicksal der lokalen Bevölkerung sehr. Leider stellte sich die Verbindung zu den Zulus als Irrtum heraus. Winfrey ließ sich später noch einmal testen und erklärte danach, sie sei eine Nachfahrin des Volks der Kpelle im heutigen Liberia. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Schulmädchen in Liberia davon profitieren werden.
Solche Tests sind das Geschäft von African Ancestry, einem Unternehmen, das damit wirbt, es verfüge als Einziges über die Technologie, um das genetische Erbe eines Menschen in ein Land und eine Region im heutigen Afrika zurückzuverfolgen. Es rühmt sich, in »schwarzem Besitz« zu sein, und behauptet, es stütze sich auf eine Datenbank mit fünfundzwanzigtausend DNA-Proben aus dreißig Ländern und von zweihundert ethnischen Gruppen in Afrika. Für 349 Dollar vergleicht African Ancestry ausgewählte genetische Marker des Kunden mit denentsprechenden Markern von Afrikanern in der Datenbank, und mit Glück findet es eine ethnische und geografische Übereinstimmung.
Wissenschaftler wie die Genetikerin Deborah Bolnick von der University of Texas in Austin haben ernsthafte Zweifel angemeldet, ob African Ancestry über ausreichend Daten verfügt, um seine Werbeversprechungen zu erfüllen. Aber das hält den Strom weiterer Gründer nicht auf – wahrscheinlich weil die Kunden gar nicht die absolute Wahrheit suchen, sondern eine Identität, die sie sich als ein laufendes Projekt vorzustellen bereit sind. Die Gründerin von African Ancestry, Gina Paige, sagte einmal, das wahre Ziel sei, die Art zu verändern, wie Afroamerikaner sich selbst sehen. 3
Doch woher kommt das Bedürfnis, sich selbst im grellen Licht der Genetik zu betrachten? Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die biologische Betrachtungsweise des Menschen auf dem Vormarsch ist und die jahrzehntelang vorherrschende kulturelle Betrachtungsweise verdrängt. Wir im Westen haben uns lange eingeredet, dass alles Menschliche nur eine gesellschaftliche Konstruktion ist, dass wir keine Natur haben, sondern durch unsere Kultur definiert werden. Und das schien vor allem deshalb plausibel, weil die meisten Menschen tatsächlich in einer Kultur leben und sich leicht, mühelos und beinahe automatisch als deren Teil fühlen können – Teil einer Kultur, der ihre Vorfahren über Generationen angehört haben.
Die Menschen waren also Dänen, weil sie zur dänischen Kultur gehörten – eingelegte Heringe, Hans Christian Andersen, eine rotweiße Flagge. Die Deutschen identifizierten sich mit Goethe und Schiller, rührseliger Musik und dem Oktoberfest. Und selbst in Schmelztiegelnationen wie den Vereinigten Staaten bezogen sich die Menschen auf bestimmte Kulturen – die Kultur der Schwarzen, die jüdische Kultur, die angelsächsische, die lateinamerikanische und zahllose andere. Jeder konnte eine herrlich klare Vorstellung von seiner kulturellen Zugehörigkeit haben.
Doch heute leben wir in einer Welt, die so geschüttelt und gerührt ist wie ein gut gemixter Martini und in der selbst traditionell homogene Gesellschaften sich mittlerweile als multikulturell bezeichnen. Und sobald man sich den Begriff Kultur etwas genauer anschaut, wird es furchtbar kompliziert. Denn Kultur ist ein bisschen wie Wasser: ohne feste Konturen. Je globalisierter die Welt ist und je mehr sich die Kulturen vermischen, desto schwieriger wird es, die eigene Identität auf diese altmodische Weise zu definieren. Welcher Kultur gehören Sie an, wenn Ihre Eltern in Pakistan geboren wurden, aber Sie selbst in Großbritannien auf die Welt gekommen sind und den festen Vorsatz haben, den Rest Ihres Lebens in diesem Land zu bleiben? Haben Sie mehr mit den Pakistanis Ihrer Altersgruppe gemeinsam oder mit den Briten?
In dieser kulturellen Kakophonie ist es sehr praktisch, wenn man sich auf etwas Biologisches beziehen kann – zum Beispiel auf digitale Informationen, die man lesen, entschlüsseln und ausdrucken kann. Ich bin Zulu oder Kpelle, weil das in jede meiner Zellen eingeschrieben ist, egal, wo ich mich befinde und mit welcher Kultur ich vertraut bin. Die Identität steckt in dem genetischen Strichcode.
Und was
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