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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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ist mit mir, Lone Frank? Kann eine durchschnittliche »ethnische Dänin« Identität in ihrer genetischen Ausstattung finden? Wohin muss ich mich überhaupt wenden?
    Da gibt es zuerst das Genografische Projekt, ins Leben gerufen 2005; für gerade einmal hundert Dollar bieten sie Tests der tiefen Abstammung an, wie sie es nennen. Das heißt, sie untersuchen, woher die wirklich sehr frühen Vorfahren stammen. Vor einigen Jahren versammelte sich das Projekt in einem teuren Restaurant im Zentrum von London, wo der junge amerikanische Genetiker Spencer Wells erklärte, wie er mithilfe genetischer Analysen die Wanderung des Menschen von Afrika aus rund um den Globus verfolgt hatte. Bei Fingerfood und Weißwein beschrieb Wells Asien als »Laufstall der Menschheit«, von wo die erste Welle moderner Menschen auszog und sich verbreitete. Lange glaubte man, Europa sei durch Emigration vom Nahen Osten her bevölkert worden. Doch Analysen von DNA-Proben von Bevölkerungsgruppen aus der ganzen Welt brachten Wells und seine Kollegen zu derÜberzeugung, dass die Steppenvölker Mittelasiens nach Westen vorgedrungen waren – infolge des Bevölkerungsdrucks nicht nur ins übrige Asien, sondern auch nach Europa, Indien und auf den amerikanischen Kontinent.
    Seit der pompösen Londoner Präsentation seines Buchs Die Wege der Menschheit hat Wells bei der National Geographic Society die illustre Position eines »ständigen Forschungsreisenden« inne. Wie jeder gute Forschungsreisende ist er beständig unterwegs, und er dient als das fotogene Gesicht des Genografischen Projekts, ein Gemeinschaftsunternehmen der National Geographic Society und von IBM. Das Projekt scheint vor allem eine genetische Suche nach unserer kollektiven Identität als Spezies zu sein. Oder wie Wells selbst es formuliert hat: »In dieser von der Zukunft besessenen Epoche ist es wichtig, dass wir einen Schnappschuss unserer Vergangenheit bekommen, bevor sie für immer verloren ist, damit wir besser verstehen können, wer wir sind und wohin wir gehen.« 4 Der Schnappschuss entsteht, indem DNA von Hunderttausenden Menschen gesammelt und verglichen wird, die alle ethnischen Gruppen und Stammesvölker der Welt repräsentieren.
    Ziel des Projekts ist es, genau aufzuzeichnen, wie die verschiedenen Gruppen und Völker zusammenhängen, welche Wanderungen sie im Lauf der Jahrtausende vollzogen und wie sie sich vermischt haben. Wie im American Journal of Human Genetics nachzulesen, haben die Genetiker des Projekts zum Beispiel aufgedeckt, dass die großen Seefahrer der alten Zeit, die Phönizier, die Vorfahren der heutigen Malteser sind. 5 Außerdem haben sie einen tiefen Blick in das Genom der heutigen libanesischen Bevölkerung geworfen und analysiert, dass die Wanderer der Vergangenheit nicht nur Steine und Monumente hinterließen, sondern auch Chromosomen. Eine Untersuchung an knapp tausend Muslimen, Christen und Drusen förderte zutage, dass ein Großteil der Christen Spuren eines europäischen Erbes in sich trägt, das wahrscheinlich von den Kreuzfahrern stammt, die muslimische Bevölkerung hingegen Gene mit Menschen von der arabischen Halbinsel gemeinsam hat, was auf die Ausbreitung des Islams in den Jahren zwischen 600 und 700unserer Zeitrechnung zurückgeführt werden kann. 6 Seltsamerweise fanden die Forscher keine genetischen Spuren der türkischen Osmanen, die im 16. Jahrhundert die Region überschwemmten.
    Ganz aktuell versuchen die Forscher sich an einer neuen Lesart unserer frühen Evolution, als der Homo sapiens ausschließlich in Afrika lebte und noch keinen Fuß in den Rest der Welt gesetzt hatte. Paläontologen haben fossile Überreste des Homo sapiens gefunden, die zweihunderttausend Jahre alt sind. Doch obwohl sich drei Viertel der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen in Afrika abspielten, wurde diese Phase bisher weitgehend ignoriert, und man konzentrierte sich auf das, was nach der ersten Wanderungswelle vor rund sechzigtausend Jahren passierte. Das Genografische Projekt will das ändern. DNA-Untersuchungen an zahlreichen heute lebenden Angehörigen des Khoisan-Volks – der Buschmänner im südlichen Afrika – ergeben ein neues, interessantes Bild der menschlichen Vergangenheit.
    Wir sprechen über sehr kleine Gruppen von Menschen, die in zwei Populationen zerfielen, getrennt durch das Klima und eine große Wüste, und in der Gegend des heutigen Njassases zwischen Malawi, Mosambik und Tansania lebten. Hunderttausend Jahre lang

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