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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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entwickelten sich die beiden Populationen, eine im Nordosten, die andere im Süden, völlig getrennt. Genetische Analysen sprechen dafür, dass die Vorfahren des heutigen Khoisan-Volks über mehr als hunderttausend Jahre einen eigenen, von allen anderen verschiedenen Zweig der Evolution bildeten und sich erst vor vierzigtausend Jahren wieder mit anderen Völkern vermischten, die von Norden her zuwanderten.
    Bisher werden die meisten Studien zu Vorfahren mithilfe von zwei Schlüsseln durchgeführt: dem männlichen Y-Chromosom und der sogenannten mitochondrialen DNA, einem kleinen, ringförmigen Chromosom, das in den Mitochondrien vorkommt, den Kraftwerken der Zelle.
    Beide Chromosomen-Typen haben die spezielle und entscheidend wichtige Eigenschaft, dass sie praktisch unverändert von Generation zu Generation weitergegeben werden. Alle anderen Chromosomen treten paarweise auf und tauschen nach allen Richtungen Gene aus, wenn Ei-und Samenzelle gebildet werden. Dieser genetische Tanz heißt Rekombination und dient der Mischung der Gene, damit immer neue Kombinationen möglich werden. Es ist wie beim Kartenspiel: Der Kartenstapel muss vor der nächsten Runde neu gemischt werden, damit kein Spiel dem anderen gleicht. In der Praxis bedeutet das, dass die Chromosomen, die man von Vater und Mutter erbt, nicht identisch mit den Chromosomen sind, die sie selbst besitzen.
    Das Y-Chromosom hingegen rekombiniert nicht, wenigstens meistens, und das bedeutet, dass das Y-Chromosom des Sohnes ein genaues Abbild des Y-Chromosoms des Vaters ist. Wenn man die Verwandtschaft testet, untersucht man das Y-Chromosom anhand einer Reihe von Markern. Natürlich gibt es wieder die guten alten SNPs, das heißt Mutationen, bei denen eine Base durch eine andere ersetzt wurde. Aber am häufigsten werden als Marker kleine Kästchen verwendet, die aus Wiederholungen kurzer Basensequenzen bestehen, zum Beispiel GCC; sie sind so etwas wie genetische Legosteine. Diese Legosteine findet man an besonderen Stellen auf dem Y-Chromosom, und man kann nun bei jeder Position die Wiederholungen zählen und diese Zahl als relevanten Marker verwenden.
    Frauen haben kein Y-Chromosom, aber sie geben die mitochondriale DNA weiter. Dieses Molekül gelangt unverändert von der Mutter an die Kinder – Söhne und Töchter –, weil die Mitochondrien von Embryonen ausschließlich aus der mütterlichen Eizelle stammen. Die Samenzelle ist demgegenüber so schwach ausgestattet, dass sie nur die dreiundzwanzig Chromosomen des Vaters für den embryonalen Zellkern mitbringt.
    Bei der mitochodrialen DNA findet man SNP-Marker in bestimmten Regionen. Die Marker, die wir mit uns herumtragen, stellen unsere komplette Ahnentafel dar. Sie sind sozusagen ein Katalog der Mutationen, die im Lauf der Zeit in unserer Ahnenreihe aufgetreten sind. Und wenn wir uns diese Marker anschauen, können wir männliche und weibliche Nachkommen in unterschiedliche Abstammungslinien aufteilen. Man kann sich das wie einen Baum vorstellen: Ganz unten steht der Urvaterdes Clans. Jedes Mal, wenn einer seiner Nachfahren eine neue Mutation auf dem Y-Chromosom aufweist, die an die nächste Generation weitergegeben wird, zweigt von dem Baum ein Ast ab. Entsprechendes gilt für die mitochondriale DNA und die Mütter der Clans. Weil die Genetiker wissen, wie oft neue Mutationen auftreten, können sie die Marker zweier heute lebender Völker vergleichen und grob berechnen, wann ihr letzter gemeinsamer Clan-Vater oder ihre letzte Clan-Mutter gelebt hat.
    Den Forschern des Genografischen Projekts ist es gelungen, durch die Untersuchung der Marker von Tausenden Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Erde die Menschheit unterschiedlichen »Ästen« des Familienstammbaums zuzuordnen. Diese Äste heißen Haplogruppen, und je älter sie sind, desto mehr Untergruppen (oder dünnere Zweige) besitzen sie. Ein Beispiel sind die sieben gemeinsamen Haplogruppen europäischer Frauen. Jede hat viele Untergruppen ausgebildet mit jeweils unterschiedlicher geografischer Verbreitung.
    Man kann auch interessante Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Nachkommen einer Population beobachten. Zum Beispiel sind im heutigen Island die Y-Chromosome nordisch, die mitochondriale DNA hingegen ist hauptsächlich keltisch. Anscheinend hängt das damit zusammen, dass die Isländer von nordischen Männern abstammen – den wilden Wikingern, die von Norwegen aus zur Eroberung ferner Länder aufbrachen – und von keltischen

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