Mein wundervolles Genom
New York Times bereitwillig berichtete, wie sie einem Mann nachgestellt hatte, der, wie sie vermutete, ein Nachkomme des Bruders ihres Urururgroßvaters war: Sie stibitzte einen Styroporbecher, aus dem er Kaffee getrunken hatte. 10 Eine andere Frau erzählte stolz, wie sie einer verstorbenen Tante, die aufgebahrt im Beerdigungsinstitut lag, ein Haar ausgerissen hatte – mit der Wurzel.
»Ich verstehe diese Menschen sehr gut«, sagt mir Bennett Greenspan aus Texas am Telefon. Der Chef von FamilyTreeDNA, des ältesten und größten Unternehmens der Branche, gibt zu, dass sie hin und wieder illegal gewonnene Proben zur Untersuchung bekommen. Mit dem dezenten Hinweis, dass es etwas mehr kostet, haben sie schon hinterlassene DNA aus abgeschnittenen Fingernägeln, von Zahnbürsten und den Rückseiten abgeleckter Briefmarken extrahiert.
»Warum die Menschen so etwas machen?«, sagt er verwirrt, als ich ihn danach frage. »Nun, das ist doch nicht schwer zu verstehen. Sie wollen wissen, woher sie kommen, und wollen Gewissheit.«
Greenspan weiß das, weil er selbst Wurzeln in der Bewegung der Hobby-Genealogen hat. Der Sechzigjährige mit dem kahlen Schädel und den runden Brillengläsern hat es geschafft, sein Hobby zu seinem Lebensunterhalt zu machen. Bis 2009 hat sein Labor in Houston über eine halbe Million Gentests vorgenommen, die Datenbank des Unternehmens enthält mittlerweile Sequenzen von 176.000 Y-Chromosomen und mitochondriale DNA von 106.000 Menschen.
»Aber wir erweitern unseren Bestand ständig«, beeilt sich Greenspan zu versichern.
Kunden können bestellen, dass ihre Chromosomen weit über die übliche Handvoll Marker hinaus untersucht werden. FamilyTreeDNA hat unter anderem begonnen, komplette mitochondriale Genome mit ihren mehr als sechzehntausend Basenpaaren zu sequenzieren, um über die bekannten Mutationen hinauszugehen und möglichst neue zu entdecken. Es ist ein Weg, den aktuellen und spannenden genetischen Ereignissen näher zu kommen, die vielleicht vor ein paar Generationen bei irgendjemandes Urgroßmutter vorgefallen sind: Mutationen, die nur wenige Menschen gemeinsam haben und die deshalb sehr spezifisch sind.
»Da wird es wirklich Genealogie!«, sagt Greenspan. Dann erzählt er die Geschichte seines Unternehmens. 1999 wurde er arbeitslos und wusste nicht recht, was er tun sollte. Seine leicht frustrierte Ehefrau meinte, er solle sich doch eine vernünftige Beschäftigung suchen und sie in ihrer Küche in Ruhe lassen. Er hatte schon eine Weile mit einem Projekt experimentiert, andere Greenspans zu finden und einen Stammbaum zu erstellen. Bennett Greenspan nahm die Herausforderung an, doch er rannte gegen eine Mauer. Er hatte einen Mann in Argentinien mit demselben Familiennamen wie sein Cousin in den Vereinigten Staaten gefunden, konnte aber eine Verwandtschaft der beiden nicht nachweisen.
»Mit den schriftlichen Unterlagen kam ich nicht weiter«, sagt er und seufzt tief. Neue Werkzeuge waren nötig, und weil Greenspan von Michael Hammers wissenschaftlichen Untersuchungen an den Y-Chromosomen der Kohanim gehört hatte, klopfte er an dessen Tür in Arizona. Als er die Möglichkeiten der DNA begriff, wusste er, dass sie der feuchte Traum jedes Genealogen war.
»Leider kommt mein eigenes Projekt nur schleppend voran«, erzählt er. Bennett hat Dutzende Greenspans aus dem In- und Ausland testen lassen, aber keine Verwandten gefunden. »Es geht mir wie dem Schuster, der selber lauter Löcher in den Schuhen hat.«
»Und was ist mit Alan Greenspan, dem früheren Notenbankchef?«, frage ich und erhalte einen hörbaren Seufzer als Antwort.
»Ach, ich weiß nicht«, sagt er mit leichtem Schmerz in der Stimme. »Ich habe versucht, wirklich versucht, ihn zu bewegen, dass er mir etwas DNA für einen Test überlässt, aber er will einfach nicht. Vielleicht ist es aber auch ganz gut so – für meinen Geschmack ist er politisch ein bisschen zu weit rechts.«
Er erzählt, dass unter denjenigen, die bei FamilyTreeDNA genetische Hilfe suchen, die Schotten mit Abstand die größte Gruppe darstellen.
»Sie sind regelrecht besessen davon, herauszufinden, zu welchem Clan sie gehören – es ist sehr wichtig, zu wissen, ob man ein MacDonnel ist oder ein MacArthur oder etwas anderes. Nach den Schotten kommen die Iren, dann die Briten und dann die aschkenasischen Juden.«
Aber, versichert Greenspan, natürlich erhalte er auch Anfragen von meinen skandinavischen Landsleuten.
»Wenn ich erklären soll, warum
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