Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
Vom Netzwerk:
Denn das Y-Chromosom, für dessen Test ich meinen Onkel um Hilfe hatte bitten wollen, stammt von Urgroßvater Sørensen und gehört nicht zur ursprünglichen Familie Frank.
    »Du kannst dir die Mühe sparen, denn es ist kein jüdischer Name«, fährt mein Onkel fort. »Wenn wir eine Generation weiter zurückgehen, zu Ane Johannes Vater, sieht es so aus, dass er als ›Kartoffeldeutscher‹ nach Dänemark gekommen ist.«
    Ich höre, wie er am anderen Ende der Leitung blättert.
    »Hier ist er: Johannes Michael Frank, verheiratet mit Ane Marie Sørensen, geboren 1852 in Sunds.«
    Kartoffeldeutscher? Das klingt nicht sehr aufregend. Ich kenne die Geschichte der kleinen Gruppe deutscher Siedler, die um 1760 aus der Pfalz und Hessen nach Dänemark einwanderten, um die Heidelandschaft Mitteljütlands zu bebauen. Weil Getreideanbau nicht funktionierte, verlegten sie sich auf Kartoffeln, die sie als interessante neue Feldfrüchte in Dänemark einführten, und bald waren sie die Experten für den Anbau der braunen Knollen. Demnach habe ich meine Wurzeln bei Einwanderern und Bauern. Ich schaudere bei dem Gedanken, dass ich auf verschlungene Weise womöglich doch mit dem blassenEberhard am Schalter des Frankfurter Flughafens verwandt sein könnte.
    Aber was wäre, wenn sich meine Eltern nicht hätten scheiden lassen? Hätte ich mich dann als Pedersen gefühlt und auf der väterlichen Seite meiner Familie nachgeforscht?
    Ich rufe die Tante meines Vaters an. Sie ist über achtzig, aber fit wie eh und je und weiß über diese Seite der Familie Bescheid. Tante Anna ist die Schwester meiner verstorbenen Großmutter väterlicherseits. Sie rattert die Geburtsdaten und -orte ihrer Eltern, eines weiteren Paars Urgroßeltern von mir, herunter. Sie waren beide geborene Pedersen, insofern hat sich durch die Heirat nichts verändert. Anscheinend kennt sich Tante Anna auch bei der angeheirateten Verwandtschaft ihrer Schwester aus – die ebenfalls Pedersen hießen.
    »Der Großvater väterlicherseits deines Vaters war Peter Pedersen aus Skæring, ich mochte ihn«, sagt Anna, und es klingt ehrlich. »Er hatte etwas Strahlendes.«
    Hingegen hat sich niemand je besonders für seine Frau Ane Katrine, Mädchenname und Geburtsort nicht überliefert, interessiert. Mein Vater erzählte von seiner Großmutter nicht gerade sanfte Gutenachtgeschichten. Die kleine knochige Frau war eine Sklaventreiberin, die ihren Ehemann und die sechs Kinder mit harter Hand regierte. Im Alter behielt sie einen Sohn und eine Tochter bei sich auf dem Bauernhof, die alles umzutreiben hatten, und als sie mit über neunzig Jahren starb, waren die beiden zu alt, um noch ein eigenes Leben zu beginnen. Sie zogen in ein kleines Haus in einer Ecke des Hofs und verbrachten dort ihre letzten Jahre.
    »Die Leute aus Skæring waren schon ein bisschen seltsam«, sagt Tante Anna. »Und ihr südliches Blut war speziell. Jedenfalls erzählten die Leute von einem spanischen Soldaten, der während der napoleonischen Kriege brennend und plündernd durch Südjütland gezogen sei.«
    An der Stelle horche ich auf. Ich habe ganz gewöhnliche dunkelblonde Haare und eine helle Haut, die im Sommer höchstens einen gelblichen Farbton annimmt. Aber wenn man genau hinsieht, gibt es in der Familiemeines Vaters noch etwas anderes. Mein Großvater war sehr dunkel, er hatte fast olivfarbene Haut und beinahe eine römische Hakennase. Von seinen drei Söhnen ist einer hellhäutig und rothaarig, die beiden anderen sind sehr dunkel. Mein Vater hatte in seiner Jugend rabenschwarze Haare, und bei den ersten Sonnenstrahlen im Frühling nahm seine Haut einen Kupferton an. Er hätte ohne Weiteres als ein Mann aus dem Nahen Osten oder mindestens dem Mittelmeerraum durchgehen können.
    Das könnte ich testen lassen, geht mir durch den Kopf, nachdem ich aufgelegt habe. Wenn mein Vater ein direkter Nachkomme dieses spanischen Freibeuters war, könnte das an seinem Y-Chromosom ablesbar sein, dem Chromosom, das er an meinen kleinen Bruder weitergegeben hat. Und da mein Bruder und ich unsere mitochondriale DNA von unserer Mutter haben, bekomme ich, wenn er sich testen lässt, alle Puzzleteile meiner Abstammung.
    Ich greife wieder zum Telefon und erreiche ihn auf Anhieb. Er ist Anwalt und weiß nicht viel von Naturwissenschaften. So erkläre ich ihm langsam und gründlich, was ich will und warum. Erst einmal sagt er nichts.
    »Ein Gentest?«, fragt er dann misstrauisch.
    Ich versichere ihm, dass es nur um einen

Weitere Kostenlose Bücher