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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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genetische Genealogie so interessant ist, dann sage ich, weil sie eine sehr persönliche Erfahrung von Geschichte und einen Eindruck von unserer Verbindung mit der Vergangenheit vermittelt. In allen Familien gibt es Geschichten und mündliche Überlieferungen. Hier in den USA könnte es um eine Ururgroßmutter gehen, die vielleicht eine Cherokee war, oder um einen schwarzen Urgroßvater, und in Europa könnte es um jüdische Vorfahren gehen. Als Familien haben wir alle unsere Schöpfungsmythen, und ein Gentest kann solche Mythen endgültig bestätigen – oder zerstören.«
    Greenspan lacht freundlich ins Telefon.
    »Manchmal ist es ziemlich lustig. Wenn ich einem Mann aus Arizona, der katholisch ist und denkt, er sei spanischer Abstammung, sagen muss, dass er tatsächlich jüdische Vorfahren hat.«
    Das Vergnügen ist wohl ganz auf Greenspans Seite, denn ich stelle mir die Situation nicht angenehm vor.
    »Aber das ist gar nicht so unwahrscheinlich, wenn Sie an die Weltgeschichte denken. Die spanische Inquisition hat eine Menge sephardische Juden aus Spanien vertrieben und viele gezwungen, zum Katholizismus zu konvertieren. Die haben zum Teil das Land verlassen, und ihre heutigen Nachfahren in den USA betrachten sich natürlich als Hispanos.«
    »Aber finden es diese Menschen dann auch lustig, wenn ihre Schöpfungsmythen in Trümmern liegen?«
    »Nicht immer. Manche sagen, ›nun, so ist es dann eben‹, und machen mit ihrem Leben weiter, aber für andere ist es richtig hart. Um ein Beispiel zu nennen: Ein jüdischer Mann, der sehr religiös ist und glaubt, er gehöre zu den Kohanim, erfährt von uns, dass er den falschen Haplotyp hat. ich habe erlebt, dass sich aus so etwas eine schreckliche Identitätskrise entwickeln kann. Es gibt auch Afroamerikaner, die einen Schock bekommen, wenn sie erfahren, dass aus ihrem Y-Chromosom hervorgeht, dass sie wegen eines einzigen weißen Vorfahren Schotten sind. Natürlich weiß jeder, dass die schwarzen Amerikaner sich mit den weißen vermischt haben, aber wenn man das im eigenen Genom vor Augenhat, ist es manchmal ziemlich verstörend. Manche tun sich so schwer mit den Ergebnissen, dass sie einen weiteren Test verlangen, weil sie überzeugt sind, wir hätten uns geirrt.«
    »Und...?«
    »Wir irren uns nie.«
    Aber auf die eine oder andere Weise kann ein eigentlich tadelloser Test doch als Fehler erscheinen. Am Schluss liefert er ein komplett verzerrtes Bild der Realität, weil er eine Linie aus einer ganzen Reihe herausgreift. Wenn wir zehn Generationen zurückgehen, hat jeder von uns 1024 Vorväter und -mütter, und alle haben potenziell gleich viel zu unserem Genom beigetragen. Unsere Chromosomen sind wie ein gut gemischtes Kartenspiel aus lauter Visitenkarten unserer Vorfahren, aber nur ein einziger Mann hat das Y-Chromosom beigesteuert, das getestet wird, und nur eine einzige Frau hat ihre Mitochondrien mit der ringförmigen DNA weitergegeben. Wenn Sie die Gene Ihrer Vorfahren untersuchen lassen, erfahren Sie etwas über die Mutter der Mutter Ihrer Mutter oder den Vater des Vaters Ihres Vaters, und alle anderen bleiben ausgeblendet.
    »Ja«, bestätigt Greenspan leicht verwirrt. »Es stimmt, dass wir alle viele Abstammungslinien haben. Ich bin beispielsweise ein Newman oder Klein, je nachdem, auf welche Großeltern ich mich beziehe. Die Menschen übertreiben die Bedeutung eines Namens ihrer Vorfahren, finden Sie nicht? Natürlich bin ich eine Mischung aus vielen Familien, aber meine Identität ist ganz mit dem Namen Greenspan verbunden.«
    Auf einmal interessiert er sich für meinen Namen.
    »Sie sehen sich als ›Frank‹, nicht wahr? Ihre Identität ist gewissermaßen in Ihren Familiennamen verpackt?«
    Wenn ich darüber nachdenke, ist es tatsächlich so. Auf meiner Geburtsurkunde steht Frank Pedersen, Frank war ursprünglich nur ein Zweitname. Aber es war der Mädchenname meiner Mutter, und als sie sich von meinem Vater scheiden ließ und mich und meinen kleinen Bruder mitnahm, wurde Vaters Pedersen ohne viel Federlesen amputiert. Ein schmerzloser Gang aufs Standesamt. Was dachte ich damals,mit zwölf? Ich kann mich kaum noch erinnern. Dass Pedersen ein sehr häufiger Name war und Frank eigentlich viel interessanter? Mit der Zeit wurde der Name zu einer Identität, weil er in den Autorzeilen meiner Artikel stand und auf den Titelseiten meiner Bücher. Ich stelle ihn mir beinahe mehr als eine grafische Identität vor denn als eine familiäre.
    »Sie sagen, Sie seien von

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