Mein wundervolles Genom
etwas im Sinn?
»Natürlich, er war Mormone, aber ich glaube nicht, dass er religiöse Motive hatte«, antwortet Woodward nachdenklich. »Doch allmählich wurde das Projekt immer größer. Sorenson wollte eine DNA-Probe von jedem lebenden Norweger, und ich überschlug, dass es eine halbe Milliarde Dollar kosten würde. ›Das können Sie nicht bezahlen‹, sagte ich zu ihm, worauf er erwiderte: ›Stellen Sie mich auf die Probe.‹ Ich nannte ihm meine Zahl, und nach zwei Sekunden sagte er: ›Eine halbe Milliarde, das kann ich mir leisten.‹«
Woodward überlegte jedoch noch einmal und meinte, eine halbe Milliarde Dollar könne man besser verwenden. »Vergessen Sie Norwegen!«, lautete seine Botschaft.
»Sammeln wir DNA von Menschen aus der ganzen Welt. Wenn Sie genügend Leute in Ihrer Datenbank haben, kann man zwei Menschen von irgendwo nehmen, zeigen, wie sie verwandt sind, und herausfinden, wann ihr letzter gemeinsamer Vorfahr gelebt hat.«
Ich höre Woodward tief durchatmen.
»Die Idee war, dass dieses Wissen die Einstellung der Menschen zueinander verändern könnte.«
Jetzt verstumme ich. Will er mir erzählen, dass es hier um ein idealistisches Projekt geht – den Weltfrieden erreichen, indem man den Leuten zeigt, dass sie verwandt sind?
»Man könnte es so ausdrücken«, sagt Woodward ohne eine Spur von Ironie. »Wir sammeln jetzt seit zehn Jahren Blutproben und genealogische Daten, unser Ziel ist, dass wir Verwandtschaftsverhältnisse hier und heute entdecken, und zugleich wollen wir, sagen wir einmal, fünfhundert Jahre zurückgehen.«
Das ist alles gut und schön, aber mich interessiert vor allem, wie sie Freiwillige für ihr Projekt finden.
»Sie kommen hauptsächlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Jemand hört hier in den Vereinigten Staaten oder irgendwo sonst von dem Projekt oder kennt jemanden, der davon gehört hat, und meldet sich dann. Es haben auch schon Studenten für uns Proben gesammelt. Bedingung für eine Teilnahme ist, dass man die Familiengeschichte über vier Generationen zurück vorlegen kann, und das hat sich bei vielen als schwierig erwiesen.«
Die meisten Menschen können wie ich nur über drei Generationen Auskünfte erteilen.
»Deshalb haben wir weniger Proben, als wir eigentlich geplant hatten – wir könnten heute eine Million haben, wenn die Menschen besser über ihre Familien Bescheid wüssten. Nun gut, sobald wir die DNA und die Informationen haben, beginnen unsere Genealogen ihre Suche inden Archiven verschiedener Länder und gehen zehn bis elf Generationen zurück.«
Ich schnappe hörbar nach Luft. Zehn Generationen zurück sind zwei- bis dreihundert Jahre Geschichte und 1024 Namen. Das muss man dann noch mit den über hunderttausend Personen in der Datenbank multiplizieren. Ist das realistisch?
»Es ist eine große Aufgabe, aber unsere zwanzig Angestellten arbeiten wie die Maultiere«, sagt Woodward zufrieden. »Das System steht und funktioniert, Sie können in die Datenbank gehen und sich selbst überzeugen. Wir haben viele Erfolgsgeschichten von Leuten, die lebende Verwandte gefunden haben.«
Ich habe tatsächlich einen Blick in die Datenbank geworfen. Sorenson ist eine Partnerschaft mit GeneTree eingegangen, einer der vielen kommerziellen Gentest-Firmen, bei der jeder einen Test kaufen kann, und dann kann man selbst Vergleiche in der riesigen Datenbank anstellen.
Es gibt tatsächlich Berichte von hartnäckigen Amateurgenealogen, die auf eine Goldader gestoßen sind. Zum Beispiel entdeckte eine Frau aus Seattle eine perfekte Entsprechung zu ihrer mitochondrialen DNA, und diese Spur führte sie zu einer Verbindung nach Mali, der sie weiter nachgehen konnte. Oder die unglaubliche Geschichte von Mike Hunters jahrelangen Bemühungen, die Vorfahren seines verstorbenen Großvaters zu identifizieren. 1981, als Opa Lindsey zu Grabe getragen wurde, machte sich Hunter daran, eine Bestätigung für die Familienlegende zu suchen, dass Lindseys leibliche Mutter, die ihn als Kind zur Adoption freigegeben hatte, eine reinblütige Indianerin gewesen war. Bewaffnet mit der Geburtsurkunde des Großvaters, verfolgte der Enkel eine lange Spur in die hintersten Winkel von Virginia bis zu dem Eintrag einer Eheschließung zwischen Nora und Albert Hunter, die anscheinend Lindseys Eltern waren. Die Entdeckung war ein bisschen enttäuschend, denn beide schienen weiß zu sein, ohne die geringste Spur indianischen Bluts. Doch seltsam war, dass die beiden erst sieben Monate nach der
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