Mein wundervolles Genom
hat ihre Pflicht gegenüber der Gesellschaft bisher dreimal erfüllt.
Aber ich will es nicht weiter hinauszögern. Ich weiß, wo sich meine Probleme verstecken. Jeder Mensch hat eine Familiengeschichte, in der sich Krankheiten durch die Generationen ziehen. Bei mir sind es auf der väterlichen Seite Herzerkrankungen. Meine Großmutter, mein Großvater und mein Vater – alle hatten schwache Herzen und lausige Blutgefäße. Meine Großmutter litt an einem nicht näher bestimmten »schwachen Herzen«, wie es damals hieß. Mein Großvater hatte Kreislaufprobleme und offene Stellen am Unterschenkel, die nicht heilten, und obwohl er sein ganzes Leben wie ein Pferd gearbeitet hatte und selbst im hohen Alter noch gut in Form wirkte, lähmte ihn bald nach dem siebzigsten Geburtstag ein Schlaganfall. Und dann mein Vater. Mit über vierzig wurde bei ihm ein erheblich erhöhter Blutdruck diagnostiziert – so hoch, dass der Hausarzt den Krankenwagen rief und ihn direkt ins nächste Krankenhaus bringen ließ. Etwas später kamen Herzprobleme dazu, das Herz stolperte und schlug nicht regelmäßig. Die Medikamente stapelten sich, es wurden immer wieder neue verschrieben, doch nichts konnte verhindern, dass er Arteriosklerose in beiden Beinen bekam. Am Schluss hatte er keinen Fußpuls mehr. Mein Vater, der sein Haus mit den eigenen Händen gebaut hatte und im Hof Handstandüberschlag machte, konnte kaum noch laufen.
»Mir geht es gut, solange ich das Radio und Regale voller Bücher habe«, sagte er, aber nach einer Weile tat ihm das Sitzen im Sessel so weh, dass er einfach nicht mehr konnte. Er hatte Arterielle Verschlusskrankheit, AVK, wie es heute heißt. Und natürlich steht AVK bei deCODEme ganz oben in der Kategorie Herz- und Kreislauferkrankungen. Sie lassen mich wissen, dass in den Industrieländern mehr als 10 Prozent der Bevölkerung davon betroffen sind und dass das Rauchen der große Übeltäter ist. Aber auch genetische Faktoren haben einen Einfluss. Ich atme tief durch klicke.
Ich wusste es – es sieht nicht gut aus. Zum ersten Mal habe ich ein gegenüber dem Durchschnitt erhöhtes Risiko: 18 Prozent gegenüber 14 Prozent. In absoluten Zahlen ist es zwar kein sehr großer Unterschied, aber doch beinahe ein Fünftel mehr. Und als wäre das nicht genug, betont deCODEme noch, dass ihr Test »womöglich nicht alle Risikofaktoren einschließt«.
Ich rauche zwar nicht mehr, bekomme aber feuchte Hände, wenn ich an meine Jugend denke, wo ich auf Partys geraucht habe. Gab es damals nicht schrecklich viele Partys? Ich sehe mir an, was sie über Vorbeugung und Behandlung sagen, und erfahre, dass man blutverdünnendes Aspirin nehmen kann, um das Risiko für eine AVK zu verringern. Vielleicht sollte ich mit meiner Ärztin darüber sprechen, wenn ich wieder zu Hause bin.
Ich bin jetzt angespannt, und da die Bierdose schon lange leer ist, bleiben mir zur Beruhigung nur die Vorräte an Chips und Schokolade in der Minibar. Während ich einen Snickers-Riegel aufreiße, denke ich: Los. Bring es hinter dich.
Herzkrankheiten und Verhärtung der Arterien sind keine schönen Aussichten, aber meine größte Angst hat mit etwas anderem zu tun. Wirklich Angst habe ich vor Brustkrebs. Es ist eine schreckliche Krankheit, und irgendwo ganz hinten in meinem Kopf weiß ich sicher, dass ich daran sterben werde – genau wie meine Mutter und ihre Mutter.
Einige meiner frühesten Erinnerungen sind Besuche bei meiner Großmutter in der Bestrahlungsabteilung des Krankenhauses in Århus.Grauer Linoleumboden, große Glastüren und Brausepulver. Wenn mir langweilig wurde, konnte ich mit einem Jungen mit einem Gehirntumor spielen, der auch auf der Station lag. Sie hatten ihn kahl geschoren und mit einem leuchtend roten Stift die Bereiche markiert, wo er bestrahlt wurde. Es sah aus wie eine exotische Landkarte, und ich erinnere mich an diese roten Linien fast besser als an die Krankheit meiner Großmutter. Aber ich war damals auch erst vier und begriff den Ernst der Lage nicht.
Unendlich viel schlimmer war es, als ich auf die weiterführende Schule kam und meine Mutter krank wurde. Eines Tages nach der Arbeit sagte sie zu mir und meinem kleinen Bruder – sie lebte allein mit uns –, dass sie Krebs habe und ihr in der nächsten Woche die linke Brust abgenommen werde. Die Ärzte könnten noch nicht sagen, wie schlimm es sei.
Es gab Tränen, Angst und die Hoffnung, dass der Krebs noch nicht gestreut hatte – aber er hatte gestreut. Doch es bestand
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