Mein wundervolles Genom
Rezeptor den Neurotransmitter Dopamin auf, bindet ihn und gibt Signale an seine Zelle weiter. Wie stark das Signal ist, hängt von der Struktur des Rezeptors ab. Wenn Sie eine besonders lange Version des DRD4-Gens besitzen, haben Sie einen Rezeptor, der Dopamin nicht so stark bindet und ein schwächeres Signal übermittelt. Die Hypothese der Forscher lautete nun, dass Menschen, die mit der langen Variante des Gens gesegnet sind, aktiv etwas tun müssen, um sich einen Extraschub an Dopamin und damit ein vergleichbares Wohlgefühl wie der Rest von uns zu verschaffen. Während der Träger einer kurzen DRD4-Variante seine Abenteuerlust damit befriedigen kann, dass er sich im Kino um die Ecke einen Bergsteigerfilm anschaut, muss ein Mensch mit einer langen DRD4-Variante die Stiefel schnüren und den Mount Everest erklimmen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die lange DRD4-Variante nicht automatisch eine Persönlichkeit bedingt, die Nervenkitzel und Gefahr sucht, aber eine wichtige Komponente dabei ist. Die Hypothese fand Unterstützung, als ein Jahr später eine Untersuchung an Japanern zum gleichen Resultat kam.
Zum ersten Mal hatte die Verhaltensgenetik ein einzelnes Gen mit einer bestimmten Wirkung identifiziert, und nun gerieten die Dinge in Bewegung. Anfang 1996 teilte ein Forscherteam um Klaus-Peter Lesch von der Universität Würzburg mit, dass ihnen ein Durchbruch beim Verständnis eines als Neurotizismus bezeichneten Persönlichkeitsmerkmals gelungen sei. Grob gesagt, gehören zu Neurotizismus eine Neigung zu Ängstlichkeit, Grübeln über Probleme und Schwarzseherei. Leschs Team fand heraus, dass zwischen einem hohen Neurotizismuswert und einer bestimmten Variante des Serotonintransporter- (oder SERT-) Gens ein Zusammenhang besteht. Der Serotonintransporter ist ein Protein auf der Oberfläche von Gehirnzellen, das den Neurotransmitter Serotonin einfängt und in die Zelle zurücktransportiert, aus der er entlassen wurde, um ein Signal auszulösen; es beendet damit dieSerotoninwirkung. Ein Bestandteil des SERT-Gens ist eine Art Regler, der festlegt, wie viel von dem Serotonintransporter produziert wird. Genau wie DRD4 kommt der Regler in einer kürzeren und einer längeren Variante vor. In diesem Fall bewirkt die kürzere Version, dass weniger Transportprotein hergestellt wird. Nach Leschs Untersuchung hatten die Personen mit einem hohen Neurotizismuswert typischerweise eine oder zwei Kopien der kurzen Variante und die weniger neurotischen Personen viel häufiger zwei Kopien der langen Variante. 12
Hier wird ein Muster deutlich: Immer wieder zeigt sich, dass die Gene, die den Verhaltensgenetikern auffallen, solche sind, die die Chemie des Gehirns beeinflussen, vor allem solche, die den Abbau von Neurotransmittern steuern.
Gleichzeitig sind diese Gene promisk: Mit großer Wahrscheinlichkeit sind sie für viele Merkmale zuständig. Der Dopaminrezeptor DRD4 ist ein gutes Beispiel. Nach einer Untersuchung von Forschern der Hebräischen Universität in Jerusalem ist er nicht nur für unsere Lust auf Neues und Aufregendes verantwortlich, sondern spielt auch beim Feintuning unseres Sexualverhaltens eine Rolle. Unterschiedliche Varianten von DRD4 beeinflussen offenbar solche Dinge wie den Grad unseres sexuellen Verlangens, wie erregt wir während des Geschlechtsakts werden und wie gut wir im Bett sind. 13 Etwas Ähnliches gilt für MAOA. Seit die MAOA-Genvarianten erstmals mit Aggressivität in Zusammenhang gebracht wurden, tauchen sie in Verbindung mit »sozialer Sensibilität«, aber auch mit Spielsucht und psychiatrischen Störungen wie Hyperaktivität und Zwangserkrankungen auf.
Diese Genvarianten haben außer ihrem Vorkommen im Gehirn und dem breiten Spektrum ihrer Wirkungen noch ein anderes gemeinsames Merkmal: Ihre Wirkungen sind eher gering. Die molekularen Studien zeigen nicht die hohen, eindrucksvollen Prozentsätze von Erblichkeit, die wir aus den Zwillingsstudien kennen: 30 Prozent, 40 Prozent, 50 Prozent, 80 Prozent. Wenn Wissenschaftler zum Beispiel untersuchen, in welchem Ausmaß SERT einen neurotischen Charakter determiniert, dann erklärt die kurze SERT-Variante nur 8 Prozent des gesamtengenetischen Einflusses bei der Varianz von Ängstlichkeit. Mickrige 8 Prozent, werden Sie vielleicht sagen, aber in diesem Bereich ist das schon ein hoher Wert.
Nehmen Sie im Vergleich etwa die Zahlen für die Intelligenz. Seit über zwanzig Jahren forscht Robert Plomin, Professor für Kinderpsychiatrie am
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