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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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fünf Hauptzüge oder Dimensionen, auf denen das Modell basiert, sind nicht besonders interessant, weil es in der Natur der Sache liegt, dass die meisten Menschen irgendwo in der Mitte rangieren. Nur ein kleiner Teil der Leute ist extrem neurotisch oder sehr extravertiert. Aber anhand der spezielleren Aspekte jeder Dimension kann man wirklich viel über eine Person aussagen.«
    Ich bin nicht sicher, ob das in meinem Fall gut oder schlecht ist. Also lächle ich, so bin ich auf der sicheren Seite. Hansen betont weiter, die Persönlichkeitsmerkmale seien statistisch zwar ziemlich stabil, aber das gelte für die gesamte Population; beim Individuum sei alles möglich. Die Psychologen, die mit dem Test arbeiteten, wüssten aus ihrer Erfahrung, dass manche Menschen, die den Test immer wieder absolvieren, radikale Veränderungen zeigen. Jemand kann Dinge erleben, die ihn weit aus der Normalverteilung herauskatapultieren.
    »Lassen Sie es mich präziser ausdrücken«, sagt er. »Eine Person, die sehr introvertiert ist, wird nicht auf einmal sehr extravertiert, aber manchmal sehen Sie große Veränderungen.«
    »Tritt das in der Regel nach kritischen Ereignissen ein?«, frage ich und denke an Unfälle, Krankheiten, Tod. »Oder ist es eher so, dass jemand beschlossen hat, sich zu ändern?«
    »Man sieht oft, dass eine Psychotherapie Persönlichkeitsveränderungen bewirkt. Andererseits sieht man üblicherweise, dass kritische Lebensereignisse die Persönlichkeit nicht beeinflussen. Es ist eher so, dass die Persönlichkeit die Art und Weise prägt, wie Sie ein solches Ereignis erleben. Trauer zum Beispiel. Ich glaube, dass es weitgehend von der Persönlichkeit abhängt, wie sich die Trauer über den Verlust eines anderen Menschen auswirkt.«
    Ich befürchte, dass uns das zu weit ab führen könnte, deshalb werfe ich ein, ob wir uns nicht meine Testergebnisse anschauen sollten. Ohne weiteres Hin und Her zieht Hansen eine grüne Tabelle hervor mit lauter Kästchen und Zahlen und quer darüber einer dicken Zickzacklinie.
    »Diese Linie ist aus Ihren Antworten auf die 240 Fragen und einem Vergleich Ihrer Werte mit den Normwerten entstanden. Ein Wert von 10 oder 20 sagt für sich allein nichts aus. Sie müssen wissen, wo Sie bei den unterschiedlichen Dimensionen und Facetten im Verhältnis zu einer Bezugsgruppe liegen, um eine Erkenntnis daraus zu ziehen. In Ihrem Fall haben wir als Vergleich die Normwerte für berufstätige Frauen genommen. Das heißt, für Hunderte von Däninnen auf allen Stufen der beruflichen Hierarchie.«
    Hansen zeigt auf die Kästen, in denen die fünf Dimensionen auf ihre sechs Facetten heruntergebrochen sind. »Hier bekommen Sie eine höhere Auflösung. Üblicherweise liegen die Testpersonen bei der Dimension Extraversion irgendwo in der Mitte, aber im Detail kann das zum Beispiel ein hoher Wert bei Geselligkeit und Herzlichkeit sein und ein niedriger Wert bei Erlebnishunger.«
    Ich verstehe, aber ich möchte wissen, was für eine Person sich aus den Kurven auf meinem Blatt herauskristallisiert – was für eine Person ich bin.
    »Ja, natürlich«, antwortet Hansen. Es sieht aus, als wäge er seine Antwort vorsichtig ab. Ich weise ihn auf eine scharf abfallende Linie hin, die deutlich von der Norm abweicht; die Norm ist durch eine dicke Linie markiert, die quer über die Mitte des Blattes verläuft.
    »Es sieht so aus, als würde ich bei Verträglichkeit ziemlich schlecht abschneiden.«
    »In der Tat«, bestätigt Hansen freundlich. »Schlechter geht es nicht.«
    Der Satz hängt einen Augenblick zwischen uns.
    Hansen gesteht, dass er sich nicht auf unser Gespräch gefreut hat, nachdem er meine Daten analysiert hatte. »Aber schauen wir es uns an. Sie sind Teil eines Experiments, das mit Depression zu tun hat, und ich kann Ihnen sagen, dass Ihr Test keinerlei Anhaltspunkte ergeben hat, um von einer depressiven Persönlichkeit zu sprechen. Wissen Sie, es ist ganz wichtig, zwischen einer Verfassung und einem Persönlichkeitsmerkmal zu unterscheiden. Depression ist eine Verfassung, für die Sie eine Prädisposition haben, wenn Sie hohe Werte bei Neurotizismus zeigen...«
    Ich muss etwas sagen. Es mag ja sein, dass ich nicht neurotischer bin als eine durchschnittliche berufstätige Frau in Dänemark, aber ich hatte drei depressive Episoden. Behandlungsbedürftige Depressionen.
    »Ja, das haben Sie mir berichtet«, erwidert Hansen bemerkenswert ruhig. »Aber bei Ihrem relativ durchschnittlichen Wert bei

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