Mein wundervolles Genom

Antennen dafür haben und sie aufnehmen könnten?«
    Was soll ich ihm antworten? Ich könnte zusammenbrechen und bekennen, dass ich oft mit Leuten in Streit gerate, dass ich häufig etwas sage und dabei weiß, dass es mein Gegenüber wütend machen wird, mich aber aus irgendeinem Grund nicht bremsen kann. Ich könnte berichten, dass ich dazu neige, schroffe E-Mails loszulassen, die ich später bereue, aber dass es mir schwerfällt, etwas zurückzunehmen.
    Stattdessen sage ich: »In meiner Erziehung ging es immer darum, mir keine Gedanken zu machen, was andere denken oder sagen könnten. Mein Vater hat mir beigebracht, nie daran zu zweifeln, dass ichrecht habe, und einfach hinaus in die Welt zu gehen und zu tun, was ich für das Beste halte.« Dieser Punkt – tun, was ich selbst für richtig halte – war sogar sehr wichtig.
    »Das passt sehr gut zu Ihrem Profil in dem Test: Was Sie sagen, sehe ich hier auf dem Auswertungsbogen«, meint Hansen. »Ihre Verträglichkeit könnte nicht niedriger sein, und Ihr Entgegenkommen rangiert ganz weit unten – das heißt, es gibt den Wunsch, Dinge zu debattieren, und Kampfeslust. Dann ist da noch Ihr niedriger Wert bei Altruismus und Mitgefühl. Das bedeutet nicht, dass Sie keine Empathie spüren, sondern dass Sie Meinungen haben und daran festhalten und nicht davor zurückschrecken, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.« Langsam frage ich mich, ob ich nicht eine Karriere als Managerin hätte anstreben sollen.
    »Es ist kein Zufall, dass Sie sich für Naturwissenschaften interessieren. Das ist typisch für Menschen mit niedrigen Werten bei Mitgefühl. Wenn Sie höhere Werte hätten, hätten Sie wahrscheinlich etwas Geisteswissenschaftliches gemacht.« Er zögert einen Augenblick. »Also, für eine Frau haben Sie ein paar ziemlich männliche Züge.«
    Lustig, wie manche Menschen mich ganz ungebeten über mich aufklären wollen.
    »Ganz ehrlich, Sie müssen sich mit anderen Leuten ziemlich oft in den Haaren liegen.«
    Zufälligerweise andauernd.
    »Das ist etwas, was Ihre Persönlichkeit speist: Sie müssen kämpfen, das treibt Sie an«, analysiert Hansen. »Aber wenn Sie über Entwicklungen sprechen wollen, dann sollten Sie hier ansetzen, denn Sie sehen auch, dass Sie Dinge schwernehmen und traurig werden können. Ihre Stressanfälligkeit, eine Facette von Verletzlichkeit, ist hoch, und Sie haben auch eine emotionale Tiefe, die Sie verwundbar macht. Sie sind nicht kalt, sondern...«
    »Kämpferisch?«
    »Eine Kampfmaschine, würde ich sagen. Wenn man es positiv ausdrücken möchte, verhindern diese Dinge, dass Sie in Situationen geraten, wo Sie andere wirklich ernsthaft verletzen und es nicht merken.«
    »Sie meinen, ohne die Anfälligkeit für Stress und die emotionale Tiefe wäre ich ein richtig unangenehmer Mensch?«
    »Man könnte es so sagen.«
    Wir sitzen eine Weile schweigend da, und ich genehmige mir eine weitere Süßigkeit aus der Schale. Dann konzentriere ich mich auf das, was Hansen gerade über Entwicklungen gesagt hat; schließlich ist das der eigentliche Grund, warum ich mich mit ihm getroffen habe. Ich möchte herausfinden, wie sehr unsere Genetik die Persönlichkeit prägt und wie viel wir durch eigene Entscheidungen beeinflussen.
    »Wie erwähnt, eine Persönlichkeit ist normalerweise ziemlich stabil. Und deshalb sagt das Fünf-Faktoren-Modell im Kern, dass Sie mit Ihrer Persönlichkeit Frieden schließen müssen. Ich glaube nicht, dass Sie eine Frontalattacke gegen Ihre Persönlichkeit führen können, aber Sie können ein paar Schönheitsreparaturen vornehmen und vielleicht bei Dingen besser werden, bei denen Sie finden, dass Sie schlecht sind, oder sie wenigstens überdecken.«
    Zur Veranschaulichung vergleicht er die Persönlichkeit mit einer Fußballmannschaft. Wenn Sie eine Mannschaft mit einem schwachen Spieler auf einer Position haben, können Sie nicht einfach hingehen und den teuersten Spieler der Welt für diese Position einkaufen – auch ein Spitzenclub muss Rücksicht auf die Finanzen nehmen. Stattdessen arrangieren Sie sich mit Ihrem Schwachpunkt und stellen Ihre Spieler oder Ihre Taktik um. Das Gleiche gilt für die Veränderung einer Persönlichkeit.
    Am Schluss unseres Gesprächs gibt mir Hansen den dekorativen Ausdruck meiner Testkurven als Souvenir, außerdem eine computergenerierte Zusammenstellung meiner Antworten und dazu die Persönlichkeitsanalyse. Sie enthält haufenweise Diagramme, aber auch ein paar gute Hinweise. Mein Blick fällt