Mein zauberhafter Ritter
die würde er vermutlich brauchen, falls es ihm jemals gelingen sollte, seine Cousins aus dem Haus zu werfen - ansonsten würden sie nur einfach wieder ins Gebäude eindringen und ihm weiter nach dem Leben trachten.
Bei dieser Vorstellung schüttelte sie den Kopf. Anscheinend war sie wirklich schon zu lange im Mittelalter, wenn sie so selbstverständlich über Mord und Blutvergießen nachdachte.
Mord und Blutvergießen. Pippa verzog das Gesicht. Hatte Peaches nicht gesagt, dass Tess’ Burg ihren Teil davon miterlebt hatte?
Wieder schüttelte sie den Kopf. Montgomery würde sich davon sicher nicht anfechten lassen, sondern sie rechtzeitig am Zeittor abliefern und anschließend losziehen, um seine zukünftige Braut abzuholen. Und dann würde sein Leben weitergehen, als wäre nichts gewesen.
Ohne sie.
Pippa schob diese wenig aufmunternden Gedanken beiseite und fragte sich, wo sie wohl einen Happen zu essen finden würde. Nachdem sie vergeblich Ausschau nach Montgomery gehalten hatte, kam sie zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich das Beste war, Jennifer in die Küche zu folgen - sofern sie überhaupt dorthin gewollt hatte.
Wie schon zuvor im Saal blieb sie auf der Schwelle stehen, um die Lage zu sondieren. In der Küche hier sah es eigentlich ziemlich ähnlich aus wie in der von Tess’, mit gut gelauntem
Personal, ausreichend Platz zum Arbeiten und der mittelalterlichen Version eines Topfständers, an dem Töpfe hingen. Die Burgherrin war mit dem Koch ins Gespräch vertieft, als sie bemerkte, dass sie nicht allein war. Lächelnd drehte sie sich zu Pippa um.
»Persephone«, sagte sie und kam ihr, die Kinder auf dem Arm, entgegen. »Willkommen in Wyckham. Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich Euch nicht schon gestern Abend begrüßt habe.«
Pippa nahm an, dass ein kleiner Knicks nicht schaden konnte, erntete allerdings nur Gelächter.
»Nehmt lieber eines der Kleinen, anstatt Euch zu verbeugen«, meinte Jennifer und drückte Pippa einen Jungen mit hellblondem Haar und riesengroßen blauen Augen in den Arm. »Und jetzt suchen wir uns etwas Essbares. Montgomery und Nicholas haben schon vor Stunden gegessen und sind jetzt draußen auf dem Kampfplatz, aber das wundert Euch vermutlich nicht.«
Pippa schüttelte den Kopf. Sie freute sich über die Ablenkung durch den fröhlichen kleinen Jungen, der sie feierlich musterte, als könne er Dinge an ihr wahrnehmen, für die er eigentlich noch zu jung war. Sie ging hinter Jennifer in den Saal hinaus, gab das Kind seiner Mutter zurück und setzte sich, um die eindeutig beste Mahlzeit während ihres unfreiwilligen Urlaubs zu sich zu nehmen. Da sie nicht sicher war, was sich im mittelalterlichen England als Thema bei höflichem Geplauder schickte, beschränkte sie ihre Bemerkungen sicherheitshalber auf das Wetter und die Gesundheit der Burgherrin von Wyckham.
Eine halbe Stunde später hatte Jennifer ein sehr schläfriges Baby auf dem Arm und ein aufmüpfiges Kleinkind an der Hand.
»Ich glaube, die Jungen hatten genug«, verkündete sie vergnügt. »Wenn Ihr mich also entschuldigt, bringe ich sie jetzt nach oben.« Sie lächelte. »Ich glaube, Ihr dürftet keine Schwierigkeiten haben, den Kampfplatz zu finden, falls Ihr zusehen möchtet. Der Garten ist auch wunderschön, wenn auch heute vielleicht ein wenig kühl.«
»Danke, Mylady«, antwortete Pippa, stand auf und zog den Stuhl für Jennifer zurück. Nachdem sie dafür erneut Gelächter geerntet hatte, trat sie zurück und blickte der Burgherrin nach, während diese ihren älteren Sohn die Treppe hinauflockte.
Geschrei erhob sich, als dem Jungen klar wurde, was der Tag als Nächstes für ihn bereithielt. In sich hineinschmunzelnd, verließ Pippa den Saal und schlenderte in den für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Herbstnachmittag hinaus. Als sie dem Klirren der Schwerter folgte, stand sie bald am Rand von Lord Nicholas’ Kampfplatz.
Zufrieden suchte sie sich einen Sitzplatz und genoss die Gelegenheit, alles ungehindert betrachten zu können.
Gut, eigentlich hatte sie kein Recht, sich so ungeniert umzuschauen, doch da sie sicher noch ein paar Tage untätig im Mittelalter festsitzen würde, konnte es ihr schließlich niemand verübeln, wenn sie sich eine Beschäftigung suchte. Und einen mittelalterlichen Ritter in all seiner Pracht zu bewundern war wirklich ein unterhaltsamer Zeitvertreib.
Eigentlich verabredete Pippa sich - dabei blieb es stets bei einem Date — ausschließlich mit Akademikern und hatte
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